Kroosartig- mal wieder die 96. Minute

Als Bochumfan kann man sich gut in die Psyche der armen Schweden hineinversetzen: …man versucht bis in die Nachspielzeit gegen den haushohen Favoriten und amtierenden Weltmeister mitzuhalten, die Bälle segeln ins Halbfeld und am Ende des Spiels möchte man nur irgendwie Zeit zu gewinnen - die Bälle weit rauszupölen. Man wartet sehnsüchtig auf Abpfiff. Es ist Nachspielzeit. Dann gibt es einen letzten Freistoß. Wenn man den übersteht….
Aber diesmal hatten wir die andere Perspektive als z.B. gegen Lüttich oder Gladbach (ohne finalen Freistoß oder die krasse Unterlegenheit der Schweden). Diesmal lag der lucky Punch auf unserer Seite, die Schweden konnten nicht mehr reagieren, waren eh ab der 70. Minute ob des Tempos platt.

In der ersten Hälfte hatte Jogi ein teilerneutes Team ins Feld geführt mit Rudy, Rüdiger und Hector, das eine andere Einstellung an den Tag legte als gegen das feurige Mexico. Die Ikeas hatten sich hinter zwei gelben Viererketten verschanzt und konnten nicht wirklich kreativ mitspielen. So hatte die Mannschaft zwar 70 % Ballbesitz - ohne so wirklich oft in Schussposition zu kommen, aber dennoch versuchten Werner, Reus und Co es ohne Erfolg. Die Anfangsphase war das Spiel, was man im Vorfeld erwartet hatte. Der Weltmeister von 2014 stand unter dem Druck, denn ein erneutes, frühes Ausscheiden eines Titelverteidiges war möglich und stand vor der Tür. Denn hinten stand zwar Rüdiger bis auf eine Szene top, doch Boateng spielte risikoreich (steigerte sich aber später) und Kroos davor wirkte gewohnt (vom Mexicospiel) ausgebrannt und müde. Dann verletzte sich der für Keidira gekommene Rudy (Nasenbeinbrich?) - und Schweden witterte Morgenluft.

Bei einem Konter konnte Boateng nur durch Foul retten, doch statt Elfer und Rot gegen Boateng gabs ein Weiterspielen -keinen Videobeweis, Neuer hielt die 1-1-Situation stand. Der polnische Schiri lag nur da daneben. Sonst pfiff er souverän. Hier hatte das deutsche Team Glück.

Das 0-1 für Schweden fiel, weil das deutsche Team nun Nerven zeigte und Schweden konterte. Einmal pennte Kroos dabei, ließ den Gegner ziehen und zack: der Rückstand gegen ein Team, was eigentlich für ein reines 0-0 angetreten war. Man spielte ja ohne Zlatan.

Das es nun schwierig werden würde, sollte klar sein. Der Zugzwang, das zweite Spiel nicht verlieren zu dürfen, spürte man nun in Sotschi im Stadion und vor den 25 Millionen Fernsehen daheim. Gelb auf den Tribünen wurde gezeigt und es wurde still in Deutschlands Fanmeilen. Die Spannung stieg hingegen.

Keine Ahnung was Jogi in der Halbzeit sagte. Es muss treffend gewesen sein. Deutschland dominierte die zweite Halbzeit und die gar nicht alten Schweden spielten im Handballkreis. Nun kamen Reus, Werner, später Gomez und später Brand zu Torchancen, aber es folgte erst mal das schnelle 1-1 durch Marco Reus. Das war hochverdient und natürlich psychologisch wichtig: Erleichterungstorjubel. Aber statt das schnelle 2-1 nachzulegen, genehmigte sich Deutschland einen wahren Chancenwucher und hatte auch ein wenig Pech. Die stärkste Halbzeit bis dato folgte und es schien, als habe die WM nun richtig begonnen für Löws Jungs.
Der Ball rauschte und wurde gepasst in den Strafraum der Skandinavier, aber die Zeit lief halt runter und Glück, Alu und der schwedische Torwart verhinderten das überfällige dt. 2-1. Es fiel nicht. Sollte Deutschland historisch früh scheitern? Sollte man sich am Schwedenhappen verschlucken?

Boateng bekam das leider verdiente gelb-rot, mit 10 Mann hatte man noch 10 Minuten, um den Bock umzustoßen. In Stockholm wird sich nun mancher Hoffnung gemacht haben, irgendwie ein 1-2 reinzulügen und ins Achtelfinale zu gehen. Verständlich.

Brandt kam und traf den Pfosten, Gomez zwang den Goalie zur Parade, Werner ballerte in die Luft. Die Abgesänge der Journalisten waren geistig geschrieben, das Schiksal schien sich gegen “die deutsche Maschine” gewannt zu haben (Zlatan!).

Kroos, der die ersten 45 Minuten und die 90 Minuten davor (Mexico) ein Totalausfall wie zuvor Özil, Müller und Keidira gewesen sind, bekam einen finalen Freistoß. Die schwedischen Spielerfrauen bangten telegen, Jogi Schappi neben mir meinte, “eigentlich ‘ne gute Entfernung”. Wer glaubt da noch dran?

Kroos legt sich den Ball zurecht. Und bäääääääääääääähm, rechts oben. Der Rest war ekstatischer Torjubel auf der Atzes 50ziger Party und es gab kein Halten mehr. Torjubel vor der Leinwand. So wird es überall in Deutschland gewesen sein. Was für eine Erleichterung!

Nun kann die WM für uns beginnen, Mittwoch gegen Südkorea hoffe ich eine neue deutsche Elf zu sehen, die ihren späten Urknall hatte. Entschieden ist nichts, aber die Hoffnung und Chance ist wieder da.

Die Schweden….naja…..wer so defensiv spielt, hat eigentlich keinen Punkt verdient, dennoch spielten sie an ihrem Maximum wie gegen das unglückliche Italien in der Quali. Da müssen wir noch hin, spätestens gegen Brasilien, am Maximum zu spielen.

Tom, CB’93

P.S.: Liebe Grüße an Marek, Waldemar und natürlich Atze: auf die nächsten 50.

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