Das Ende einer goldenen Epoche

Dass man als Nationalmannschaft in der Vorrunde einer WM ausscheidet, ist ein Novum in der 84 Jährigen Geschichte des DFB. Als Löw 2004 nach der Blamage in Portugal das Nationalteam von Völler übernahm, war es total am Boden und hatte Poldi als 19 jährigen Hoffnungsträger, die WM im eigenen Land stand an. Man hatte wie in der Vorrunde 2000 bei einer EM nur einen Punkt geholt und fuhr nun bitter enttäuscht nach Hause.
Leider war es gestern wieder so, dass Fußballdeutschland trauern musste, nach 12 Jahren überaus erfolgreichem Schaffens. Bei der Weltmeisterschaft 2018 hatte sich der Titelverteidiger am Ende nicht nur zum zweiten Mal verloren - ohne geschossenes Tor, man hatte sich blamiert gegen ausgeschiedenen Underdog Südkorea. 0-2 gehen einen überschaubar starken Gegner in einer normalen Vorrundengruppe, das lag sicher mehr an den Problemen im Team, Disbalancen und Stattheit als an der Stärke von Mexico und Korea, bei allem Respekt. Oder vielleicht ist das auch Teil des Problems.

Die hausgemachten Probleme des dt. Team konnte man schon in der Vorbereitung, der Qauli und den Testspielen sehen, man hoffte aber, irgendwie auf Besserung wie immer und die Turniermannschaft Deutschland, letztendlich auf die Statistik. Dann kamen als Nebenkriegsschauplätze die Özil-Gündogan-Erdogan-Affäre dazu und die fragliche Streichung von Leroy Sane‘ und Löws entrückte Bonvivant Selbstdarstellung. Kein Neid wir wollen alle gut leben, aber sowas kommt im Niederlagenfall wie ein Bumerang zurück. Damit machten sich Löw und Bierhoff angreifbar und man konnte an den Reaktionen der Spieler erahnen, es gibt Probleme im Team. Eventuell Jung gegen Alt oder Grüppchenbildung, niemand rannte am Ende für den anderen außer im Schwedenspiel in der 2. Halbzeit.

Die Ergebnisse dieser negativen Prozesse konnte man beim Turnier sehen: es fehlte an allem: Teamgeist generell, Bewegung im Spiel ohne Ball, Schnelligkeit bei Dribblings, manchmal hatte man platt den Eindruck, das Team ist nicht fit.

Kroos, der gedachte Anführer, wirkte wie einer mit Burnout, Highlight nur das 2-1 gegen die Schweden. Özil wäre die laufende, nach innen gerichtet Depression gewesen, Müller in der Dauerformkrise und Neuer sowie Boateng routiniert, aber eben noch nicht gesund oder fit. Zu viele Spieler in der Formkrise; Werner, Reus, Rudy, Süle und Goretzka trotz des Confedcups noch nicht soweit, dass sie 5-6 ausgebrannten Stammspielern helfen können.

Dazu ist das Löwteam zZ im flaschen Korsett. Ballbesitzfußball a la Spanien 2010 ist ohne torgefährliche Mittelfeldakteure oder Keilstürmer hilflos, weil meist torlos.

Klar, Goretzka, Hummels oder Gomez hätten das 1-0 machen können gegen die Jungs aus Busan oder Seoul. Es wäre auch verdient gewesen, aber schlecht spielte man trotz vielen Ballbesitzes. Deutschland hatte nicht die Wucht, die Gegner zu Fehlern zu zwingen. Man stand hinten nicht kompakt, im Mittelfeld klaffte bei mexikanischen Kontern ein Riesenloch. Und vorne fehlte ein Stürmer mit Form. Das Zuhauselassen von Petersen, Wagner und Sane‘ war ein Trugschluß von Jogi. Dem, der 12 Jahre Trainer war, verließ das Händchen wie 2006 bei Odonkor und Neuville. Der, der sich 2012 gegen Italien mit drei 6ern vercoacht hatte, der wirkte ebenso ratlos wie tausende beim Rudelgucken. Man ging mit dem 0-2 am Mittwoch durch die Hintertür, vermutlich ersparte man sich eine Blamage gegen Brasilien. Neuer sprach es offen an, da - oder spätestens im Viertelfinale - wäre Schluss gewesen. Und das ist leider wahr. Die Trauer war groß, aber ob der Verdientheit des Ausscheidens diskutierte niemand über den Videobeweis eines Holländers, der zum 0-1 führte. So pomadig und mutlos, hätte man eh kein 1-0 gemacht. Aber im Fußball rächt sich Stillstand, Sattheit mag auch eine Rolle gespielt werden oder bei dem ein oder anderen Arroganz. Jogis Trainerteam wirkt auch nicht so, als wäre es in der Lage einen Vidal oder Kevin Prince Boateng einzugliedern, einen Drecksack, einen Gattuso, den ein WM-Team auch braucht. Kaum gelbe Karten sind nicht der Grund, aber ein Indikator für etwas ausgelebte Weichheit. Sieht man Argentinien-Kroaatien, kann man bei Deutschlands Finalgegner von 1986, 1990 und 2014 durchaus Parallelen. Aber derart leise und fair bzw. ungeschickt foulend zu gehen, spricht für sich. Man kann nun Mexico und Schweden gratulieren, die Welt verdammen, sich auf den Herzensclub konzentrieren, für Belgien, Kroatien oder England sein - oder Jogis Kopf fordern. Es muss ein Umbruch her mit einer Balance, die der Mannschaft zuletzt fehlte.

Und man sollte nicht den Fehler machen auf die Alibipässe von Özil oder Gündogan zu schimpfen. Fehler liegen viele vor, die zu so einem monströsen Aus führten. Und da wir nun alle früher frei haben, kann ich mich nun endlich meinem Puzzlehobby widmen.

Na, so schlimm war es dann auch wieder nicht.

Tom,CB‘93

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