Wenn jedes Spiel ein Auswärtsspiel ist

Ein Gastbeitrag von Martin Bursche:

Am Sonntag spielt der VfL gegen den KSC um sechs Punkte. Vor Corona wäre ich mitgefahren, unseren VfL unterstützen. Wie so oft in den letzten 50 Jahren. Ich kann nicht anders. Wenn wir Fans im Stadion gemeinsam „1848, unsere Heimat, unsere Liebe, in den Farben Blau und Weiß“ anstimmen, kriege ich Gänsehaut. Wenn Grönemeyer „Bochum“ singt, muss ich oft weinen.
1985, nach dem Abi bin ich losgezogen, quer durch die Republik: Münster, Hamburg, Berlin, Dresden, Saarbrücken, wieder Berlin, wieder Saarbrücken, wieder Hamburg. Immer den Jobs nach,

In all den Städten hatte ich viele Freunde gewonnen, die aber auch oft wieder gegangen sind, wenn ich weg war. Aus den Augen aus dem Sinn. Meine Liebe zum VfL, zu Bochum, zum Ruhrgebiet ist immer geblieben. Kürzlich hat der VfL ja diese Soliaktion für die Bochumer Gemeinschaft gestartet und Musiker im Stadion für einen guten Zweck spielen lassen. Beim TV-Schwenk über die Stadt ist mir im ganz anders geworden. Ich hab in meiner Hamburger Wohnung an meine sehr alten Eltern in Weitmar-Mark gedacht, mich gefragt, was die jetzt wohl so machen, bei Corona. Ich wusste, es geht ihnen nicht gut damit. Ich habe meiner Schwester in Sundern eine SMS geschickt, weil die die sich rührend um die alten Leute kümmert. Ich habe meinen Bruder telefoniert, der aus Duisburg angefahren kommt, wenn meine Schwester nicht kann und meine Eltern Hilfe brauchen. Das passiert ziemlich oft. Ja, wir sind echte Bochumer und wir Brüder zu 100 Prozent VfLer. Für uns gibt es kein Leicester City, keine Fanfreundschaft zu Bayern. Für uns gibt es nur den VfL.

Wir waren sechs als Papa zum ersten Mal mit uns ins Stadion gegangen ist und wir noch so klein waren, dass wir unter dem Drehkreuz drunter kriechen konnten, Papa deshalb keinen Eintritt zahlen musste. Ahnung von Fußball, hatten wir Dötze nicht, aber jeder eine kleine VFL Fahne in der Hand. Auch der Support klappte noch nicht so recht. Statt VFL riefen wir „Faules L“. Das war lustig, ja, aber auch richtig laut. Deshalb muss mir heute niemand erzählen, der aus Grumme, Harpen oder Hofstede nie rausgekommen ist, einen Steinwurf vom Stadion wohnt, was ein echter Vfler zu tun oder zu lassen hat, was er so denken soll und was nicht. Ich bin einer, wenn auch ohne Dauerkarte, die hatte ich noch nie. Sie lohnt nicht, wenn alle Spiel Auswärtsspiele sind, auch die in Bochum. Freitags kann ich nur selten, Montags eh nicht und Sonntags 17.30 Uhr ist auch scheiße. Mein Geld für die Dauerkarte investiere ich in die Bahn. 200 Euro hätte mich der Trip von Hamburg nach Karlsruhe und zurück gekostet und 16 Stunden meiner Zeit. Das bedeutet jede Menge Einsamkeit. Andere Bochumer treffe ich im Zug fast nie. Wir sind ja nicht so viele. Dabei wäre Quatschen cool. Vor Auswärtsspielen wie das jetzt in Karlsruhe habe ich oft Schiss um unsere Verein. Warum auch immer. Aber sag das mal deinem zufälligen Sitznachbarn im Zug. Der hält mich doch für bescheuert. Also besser nichts schweigen und hoffen, dass vielleicht Philipp Rentsch schon seinen Text auf Facebook geschrieben hat oder Tom McGregor seine Kolumne. Damit es überhaupt mal irgendwo um den VFL geht, in den vielen Stunden Fahrt.

Sonntag ist der KSC ja keine wirklich Übermannschaft und eigentlich ist der VFL doch gut drauf. Unser griechischer Neuzugang stabilisiert die Abwehr, Osei-Tutu kann offenbar besser stürmen als verteidigen. Gut zu wissen, wird auch Zeit. Ganvoula scheint wieder in Form zu kommen, ist Blum eigentlich wieder fit? Das wäre gut. Schon Darmstadt war ja ganz okay. Da war ich natürlich auch.
Doch der VFL spielt ja mal so und mal so. Sandhausen war bitter, Kiel eine Unverschämtheit, Bielefeld hatte ich keine Zeit, Gott sei dank. Aber Wehen war cool, Dresden mega. Man kann also nie wissen und das beste hoffen.
In Karlsruhe selber und sonst wo auf der Fußballwelt wartet mein Bruder auf mich. Von Duisburg aus ist er früher in Karlsruhe als ich, beim Spiel in Kiel hätte ich die Logistik klar gemacht. Das bedeutet Schließfach für das Gepäck reservieren und ist nicht profan, sondern essentiell,
In vielen Stadien ist ja Rucksackverbot, auch in Bochum. Wir müssten dann draußen bleiben, nur wegen des beschissenen Gepäcks. Kaffeetrinken am Karlsruher Schloss, während nebenan der VFL spielt. Da will ich gar nicht drüber nachdenken. Ist auch noch nie passiert. In Karlsruhe dürfte das Gepäck auch kein Problem sein. Mein Zug fährt in Hamburg um kurz nach fünf Uhr morgens los, ist um 11:16 Uhr da. Da wird noch was gehen am Schließfach. Der nächste ICE käme erst um 12.50 Uhr an. Da wäre alles zu spät. 13.30 Uhr ist Spielbeginn. 17.10 Uhr geht es zurück nach Hamburg. Mit drei Punkten. Was sonst, Ankunft in Hamburg 23.09. Dann war ich gut 16 Stunden unterwegs. Glück auf, VFL.

Wie immer an dieser Stelle ein Gruß, diesmal an Tom McGregor, der mir erlaubt hat, meinen Gedanken hier freien Lauf zu lassen.

Traditioneller Vorbericht von Tom MacGregor:

Hier direkt zu antworten, hätte dann was von June Carter und Johnny Cash in ihrem Duett “If you were a Carpenter und I was a Lady!”. Etwas schwülstig.

Daher schreib ich hier nur kurz die Spieldaten, die Situation ist unverändert: knallharter Abstiegskampf oder - wenn man 8 mal siegt Relegation gegen xy. Spinnen soll erlaubt sein. Auch in Zeiten der Pandemie hofft der VfL-Fan, dass er am Ende besser dasteht als vorher, die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht kriegen Kaenzig, Sesi, Reis und das Team, besser die Kurve in der seriösen Situation. Gegen den FCH sah das fast so aus, ohne den Druck von Rängen blühte ein Osei-Tutu richtig aus. Der Gegner war allerdings dreimal zu spät am Mann, es ist die Frage ob das bei den Karlsruhern ähnlich sein wird.

Im Hinspiel ein furioses und verrücktes 3-3, ich saß mal auf der West neben dem Bobby Bolzer Block - mit Papa und Tochter und ärgerte mich über den späten Ausgleich. Bochum hatte über 60 Minuten einen Mann mehr und versemmelte es dennoch. Der VfL machte das Beste aus einem 0-1 und 1-2 (der KSC stark zu Beginn, Bochum konfus, aber herauskämpfend) und stand dennoch am Ende mit einem Punkt bedröppelt da, wie so oft in dieser Saison. Aber eben nicht letzten Samstag - nach dem perfekten 3-0 gegen Heidenheim, die man gleich zweimal besiegt hat, da stand man plötzlich gut da; und so ein zweiter Sieg in Serie wäre auch eine Saisonpremiere und würde uns alle voll erleichtern. Da würde ich mich drauf freuen, auf das Geisterauswärtsspiel ohne da zu sein. Und da man eben eh nicht vor Ort ist, also ich, kann man vor dem TV aus besser sehen, wie die eigene Mannschaft agiert. Während die internationale Presse den Restart feierte, blieben viele Fans in D skeptisch, in Bochum, der Heimat der Skeptiker, eh.

Die Aufstellungen am Sonntag, 13.30 Uhr im umzubauenden Wildparkstadion…

VfL: Riemann — Gamboa — Lampropoulos (Bella Kotchap), Leitsch — Danilo — Tesche (Janelt) , Losilla - Zulj — Osei-Tutu -Zoller , Weilandt (Wintzheimer) – Ganvoula
KSC: Uphoff - Thiede , Gordon , Pisot , Roßbach - Wanitzek , Fröde , Gondorf , Stiefler , Grozurek - P. Hofmann

Tip 1-1, der VfL ist statistisch DER Remisgegner der Badener in den letzten Jahren. Beide sind im Aufwind, mit Siegen gestartet nach der Pause, das könnte sich neutralsieren.

Martin Bursche (1. Teil)
Tom, CB`93 (2. Teil)

Grüße an ALLE Bochumer

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