Das no-system System

Man kennt den Cattennachio aus Italien und das Kick-and-rush aus England und den Schalker Kreisel (leider), manche kennen gar Konzeptfußball oder die Mittelfeldraute vor der flachen Vier, alles das ist garnichts gegen eine neue Konzeption, die wohl eigentlich in Bochum erfunden wurde und nicht im Chaos von Kalkutta als Impro: Der no-concept-Fußball, den der VfL Bochum seit drei Jahren auswärts spielt. Er wird vielleicht irgendwann mal immer dann zitiert, wenn ein Team “ohne erkennbaren Plan auf Spielaufbau” zusammen auf dem Platz herumläuft, dann wird man sagen, dass ich die gute alte Bochum “no-system”-Schule, sowas wie die Waldhof-Schule, nur eben nicht hart, mit Kondi für 60 Minuten. Bis dato sagt man zu sowas einfach einfalls- und konzeptlos oder schlecht, denke ich.

Dass den grauen Auswärtsauftritten auch solche Heimauftritte folgen, dass war in dieser Intensität neu. Dabei begann Bochum gegen schwache Mainzer angagiert, führte schnell vor schweigenden 14.500 eigenen Fans 1-0 durch Aza, weil Wetklo nun alles ist, nur nicht ein guter Torwart. Die Fans schwiegen weiter 18.48 Minuten, einige sangen “Altegoer-” oder “Koller-raus”, die meisten schwiegen vor sich hin und dösten bei tollem Wetter im halbleeren Rewirpowerstadion. Weder Freude noch Wut, hauptsächlich Resignation und Leere war das vorherrschende Gefühl des Publikums, auf jeden Fall Freudlosigkeit - ein Burn-out-Fall. Maltriz spielte auf rechts statt Concha oder Pferzel, Bönig auf links und davor Fuchs im defensiven Mittelfeld und Klimo war einizge Spitze und der solide Johannson erlaubte das 1-1 durch Ivanschitz per Kopf, die erste Mainzer Chance überhaupt. Das Publikum murrte, doch Klimo nutzte blitzschnell einen Abwehrfehler zum 2-1. Verdiente Führung und ich dachte, nee, Mainz, nur mit Bance’ vorne, das bringen selbst die Blau-Weißen nach Hause. Ich dachte das echt! Doch die Mannschaft hatte, wie Schwenken später bemerken sollte, “keinen Glauben an sich” und Kollers Team wurde immer passiver. Hier beginnt der Part für die Rolle der Fans “Wir sind schuld!”. Ernst sah später schwere “emotionale Störungen” zwischen Team, Trainer und Fans und Bönig sah hellseherisch einen gegen “schwache Mainzer schwächer werdenden VfL - einfach schlecht”. Das 2-2 fiel nach einen Sprintabbruch bei Maltriz (wirkte verletzt auf falscher Posi hilflos) durch Bubi-Schürrle und der nutzte eine Konfusion der Bochumer Deckung auch zum 2-3 Endstand für 05. Der 18. Jährige ist, bei allem Respekt, kein Messi, aber er konnte alles tun, weil ihn niemand stoppen wollte. Jugendpower gegen unsere alte Hasentruppe. Das Zweikampfverhalten war auch in Schalke, Leverkusen und Hoffenhheim schon schlimm gewesen. Die Stimmung auf den Rängen war den Umständen entsprechend schlecht, aber einen Mainzer Support durch Bochum-Fans hat es trotz Kloppos Sportstudioaussage nicht gegeben - und auch sein Informant und Fanversteher Heidel irrt hier - auch wenn er subjekiv natürlich empfinden kann, was er will. Der Klopp soll dazu einfach mal die Klappe halten, nicht seine Baustelle und klar unsere Konkurrenten sehen unsere Selbstzerfleischung mit nem Schmunzeln. Wie gesagt -jeder darf denken, was er will und nach dem Spiel kam es zu Protesten von 2000 Bochumern vor dem Stadioncenter, die Ultras verbrannten gar ein Kollerkonterfei in der Ostkurve: Dafür wurde ihnen der Schlüssel entzogen von den Entziehungsberichten des VfL. Die Situation in Bochum schwankte mal wieder zwischen Aufruhr, Revolte,Depri, Pessimismus, Frustration und purer Wut. 35-40 Jahre Abstiegskampf hinterlassen teiltraumatisierte Fans, denen der Kollersche Valiumfußball vor allem eines bietet: noch mehr Frust und eingeschlafene Füße.

Die Medien werden vom Spielern und Funktionsträgern “selbstzerstörerisch” fleißig gefüttert mit Infos über Bochums ungerechte Meckerfans (Problemfans?), die wahre Gefühlslage der letzten Treuen kann man daran ermessen, dass sie nur nicht den Schritt scheinen machen zu können, den ihnen ihre abwesenden Fanfreunde vorraus sind - einfach zu hause bleiben. Darauf scheinen Ernst und Schwenken zu reagieren und fordern indirekt Kollers Entlassung, nur der Alte wehrt sich sowie Koller, der aber sehr gezeichnet wirkte und der selbst auf seine Demission zu warten scheint. Draussen blockierten Fans den Parkplatz, vorher gab es Rangeleien mit der Polizei, doch die Situation stellt sich vor allem mental äußerst verfahren dar.

Wenn Günna P. (und später Gustl) )dann rauskommt zu den Protestlern (im Gegensatz zu Teilen des Teams oder dem Trainer), dann verliert selbst der Schreiber dieser Zeilen die Nerven und so war es gegen Sieben ein weiterer Meilenstein auf dem Weg ins mentale Nirvana, dessen Ende der Abstieg ohne sofortige Aufstiegsperspektive wäre.

Doch vor dem Spiel gegen Schalke kann die Reißleine gezogen werden, wie es die Fans wollten und Funny wird die Truppe gegen den verhaßten Nachbarn ins Feld führen. Man wird sehen, alles hängt am Boss, der sicherlich hinter dem Trainer steht, aber vielleicht das Bauernopfer akzeptiert, um selbst Handlungsfreiheit zu gewinnen. So kommentiert es Pohl in RS und das ist die alte Dolchstoßdenke der Vereinsoberen. Eigewntlich sind die Fans schuld. Der Konflikt schlägt Wurzeln und beginnt von neuem.

Doch aus dem Albtraum aus Schuldzuweisungen, Zerrissenheit, gegenseitigem Misstrauen und dem sportlichen Misserfolg wollen vermutlich alle Beteiligten aufwachen.

Wollen.

Können?

Ich weiß nicht, ich bin einfach nur leer, ehrlich. Marcel Koller wohl auch.

Tom, CB’93

 

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