Die fehlende Fliese

Es ist Montagabend, in exakt einer Woche startet die verjüngte Mannschaft des VfL Bochum (laut Kickers Oliver Bitter aufstiegsreif, sicher auch laut Günna) gegen Fortuna Düsseldorf 95 (laut Kicker unter den TOP 5, auch schon wegen seiner Heimstärke) in eine aufregende Zweitligasaison.

Eigentlich müsste die Luft vorher brennen, die Spannung unerträglich knistern. Doch es ist noch was. Ach ja: Es ist noch Frauenfußball-WM-2011 in Deutschland, die Medien reden von fast nichts anderem und mancher Bochum-Fan wird in diesen Tagen in folgende Situation kommen wie ich. Arbeitskollegin: “Hast du gestern Fußball geguckt?” Ich: “Nö!” Sie: “Wieso denn nicht?” Ich:”Keine Ahnung, vergessen!” Sie - der böse Blick. Dahinter steckt die Idee, mal wieder, die Frauen werden so ungerecht behandelt wie immer, so schlecht(er) bezahlt, obwohl sie doch Weltmeister in Serie werden im Gegensatz zu den Kerlen. Wie immer. Typisch. Diese Logik wirkt, man fühlt sich schlecht, sitzt quasi bei Goebbels auf dem Schoß und fordert das BDM-Mädchen zurück, weil einem Frauenfußball einen Scheiß interessiert. Einfach so. Furchtbar machohaft. Ich denke nach. Und das tun Männer ja laut Frauen eher selten. Doch ich denke mal nach. Und ich denke nicht mit meinem Penis, denn dann lande ich niemals beim Frauenfußball, selbst mit allem Blut in diesem Körperteil. Ich stelle mir vor, einen Stripclub in Vegas. BESSER. Also, das Gegenteil von Frauenfußball, Hetenweiber, die gut aussehen und so tanzen, dass jeder Mann glotzt und dafür viele Dollars zahlt. Dann, der Abend ist am Kochen, Hinterwäldler aus Texas und die Hells Angels Seattle wollen eine neue Jenna Jameson strippen sehen. Die Kerle sind voll wie tausend Russen. Dann komme ich auf die Bühne - mit Federboa und tanze meinen Lehrerausdruckstanz vom letzten Abiball. Männer dürfen das - Männer dürfen sich auch zum Objekt degradieren und ich tanze. Dont dream it, be it. Flaschen fliegen, Buh-Rufe, drohende Fäuste, erste Mobiltelefone in meine Richtung, nur keine Dollars - wie bei Barbiegirl Doppel D vor mir. Wie fies, Männer sollen doch alles dürfen, was eine Frau auch darf. Ihr Chauvis. Wie - klingt bescheuert? Klar, ist bescheuert, genau wie die Idee, dass eine körperbetonte, dynamische, aggressive Sportart dasselbe sein könnte, wenn Frauen (von einem Drittel der Welt) sie machen. Was hat sich diese Sportart Frauenfußball trotz allem gemacht, Technik, Taktik, Spielwitz, eine Wahnsinnsentwicklung. Hut ab! Die 6-8 Länder, in denen Frauenfußball halbprofessionell ist, haben sich enorm weiterentwickelt, viele junge Mädels haben Lust auf Fußballspielen (und schauen) und sollen dies auch in steigender Zahl tun. Nur was hab ich damit zu tun? Muss ich jetzt FFC Heike Rheine gucken? Also ich hab D-Japan geguckt und wurde unterhalten (wie ich auch bei “Frauentausch” auf RTL 2 unterhalten werde), USA-Brazil war echt klasse dramatisch, aber wer mir sagt, das wäre dasselbe wie Männerfußball (obwohl das deutsche Frauenteam pölte wie die Herren in Mexico 1986!), der sieht auch Gaddaffi als neuen UN-Sprecher, wenn es irgendwann politisch korrekt sein sollte. Dann der komische Pseudo-Hype, den Leuten zu erklären, wie cool Frauenfußball ist (analog Tom tanzt in Vegas mit rasierten Beinen - Interesse??? Nee, warum denn nicht, warum denn nicht?) und sich dann generös zeigen und mitschwadronieren. Ich fand das so toll oder der Sozialarbeiter Oberheuchlersatz “Ich fand es spannend!”. Und natürlich (auch) gegen das Tanzverbot sein am Karlfreitag (junge Grüne Hessen!). Schlimmster Populismus in Kombination mit Nichtlogik, dazu der Versuch etwas zu hypen, was nur sehr mäßig spannend ist, vor allem, weil die Tradition des Fantums völlig fehlt und es langsam und undynamisch ist. Ein Herrenfußballmatch in Indien ist auch was anderes als in England, man sollte nie Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber das tun die Gleichheitshyper, sie vergleichen Unvergleichbares. Das Zwergenteam von Japan hätte im Herrenfußball fast nie gegen eine solch größere Mannschaft gewonnen. Man fordert ja nicht “Frauen an den Herd” oder “bügelt statt zu schießen” (wie der DFB 1955), man hat einfach nur das Recht zu entscheiden, was man mag und was man total öde findet. Und das, was ich sah, war echt von den Torfrauen, den AußerverteidigerInnen und der Dynamik immer noch dem unterlegen, was eine gute A- oder B-Jugend eines guten Bundesligsten hinlegt. Ich bin ja als Bochum-Fan wahrlich kein Gourmet, aber Bochums-Amas oder unsere A-Jugend würden fast jedes aktuelle WM-Team schlagen, wie damals Deutschlands letztem Frauen-WM-Titel, da gewann Stuttgarts B-Jugend 3-0 gegen die späteren Frauenweltmeister. Und fehlende Gleichberechtigung? Das ist sowie eh kein Fußballansatz, von irgendeiner Gleichheit auszugehen (Bochum gleich Bayern gleich Dortmund hä? gleiche Bezahlung hä???), denn gerade im Fußball geht es auch um Unterschiede, Wut, Aggression, Grätschen und Emotionen und eben nicht zu allem nett zu sein.

Wenn ich nächstes Mal ins Ruhrstadion komme, die fehlende Fliese im Block A-Klo sehe und sich die immer gleichen zynischen Typen durch die Tür zwängen, will gar keiner wissen, was ich die zwei Monate so getrieben habe und was ich gucke und nicht gucke. Dann spielen elf mehr oder weniger talentierte Herren gegen FSV Frankfurt und unser Frauenfußballexperte Thomas Ernst ist Geschichte, wie diese aufgeblasene WM. Und was bleibt? Drehkreutze statt Ordner, die man kennt und noch weniger Ostkurve. Super. Also, wie toll das wirklich für die aktiven Frauen ist, dass sie Spaß haben und Sport treiben, so gut ist auch wieder wenn König Herrenfußball das macht, was er am besten kann: Echte Emotionen schüren, rauh, schrill und ohne nervige political correctness und da ist Düsseldorf gleich ein guter Ort, um es zu sehen. 5000 Leute wollen nur den Sieg und die 45.000 anderen wollen nur alles schlechte für diese 5000. Wenn ich sowas bei der Frauen-WM verpasst haben sollte, nehm ich die Vorrede zurück. Und viele Frauen sehen das ähnlich und auch die lassen sich nicht vorschreiben, was sie zu mögen haben. Schon gar nicht von der BILD, die jetzt die deutschen Fußballfrauen promoted, was für eine lächerliche, schleimige und heuchlerische Allianz.

Und noch was : “Der dritte Platz ist nur was für Männer” kam ja schallend zurück. Den Spott haben die SpielerInnen nicht verdient. Ich will diesen Jahr den zweiten Platz, der dritte Platz reicht mir nicht mehr. Ach ja, ich meinte das Herrenteam des VfL, nicht den Kooperationspartner TUS HARPEN.

Tom, Gendermainstreamingbeauftragter des Altherrengedeck Commando’93

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