Zweitklassige Wurzelbehandlung
Der VfL Bochum war von 1971 bis 1993 ununterbrochen unter dem jüngst verstorbenen, legendären Ottokar Wüst immer (kleiner!) Erstligist und auch graue, aber pfiffige, trotzdem titellose, kleine, süße Pleitemaus, auf deren Klassenerhalt in Liga Eins man sich am Ende verlassen konnte. Große Kämpfe mit kühnen Recken wie die Relegation 1990 mit Uwe Leifeld waren begleitet vom Mythos der Unabsteigbaren und vom selbsternannten Malocherclub. Man zeigte Dortumund und Gelsenkirchen manchmal (selten) die lange Nase, am Ende war man nach großem Kampf gerettet. Und weil die Vergangenheit viel verklärt, man hat auch damals viel, uninteressante Sch….e gesehen, sich geschworen nie wieder hinzugehen und tat es doch (wie Freitag auch wieder). Andere wandten sich anderen skurrilen Vereinen zu, so dass Bochums Fanschar immer überschaubar, aber leidensfähig und treu schien. Dann kam so langsam W.Altegoer (ab 1980 im Wirtschaftsbeirat) ans Ruder und konsolidierte die Finanzen, rettete oft die Lizenz, konnte aber die ersten Abstiege von 1993 bis 2009 nicht verhindern. Es sollten 7 Abstiege werden und 6 direkte Wiederaufstiege, nur letztes Jahr scheiterte man mit Funkel in der Relegation an Gladbach, was ob des schlimmen Starts als Erfolg gewertet werden musste. Aber man stieg eben nicht auf und das war leider verdient.
Das Problem war, dass Altegoer zwar die Finanzen besser im Griff hatte, aber Altlasten aus der Wüst Ära und teilweise falsche Entscheidungen in einem insgesamt wachsenden Markt für Stagnation sorgten. Es wurde (nur) versucht, den Status Quo (erste Liga!) zu halten, doch die anderen wuchsen und wuchsen, doch wir stagnierten. Die Vision fehlte. Die Fans verloren aufgrund einer Änderung in der Rezeption des Ganzen und der vielen Abstiege ihre kritiklose Distanz und wurden (über)kritisch oder der Verein tat einfach so. Damit konnte und wollte sich Werner A. nicht so recht anfreunden, es stand eine permanente Reizbeziehung, die neu war im beschaulichen Bochum ohne Kampfpresse einer Millionenstadt. Der VfL hatte Ende der Neunziger den Anspruch “unabsteigbar” verloren und die zweite Liga war nun nicht mehr ein Unfall. Man war ein Fahrstuhlteam geworden wie Bielefeld, Duisburg, Nürnberg, später auch Frankfurt, Berlin, Hannover, Köln und Gladbach mit viel besseren Grundstatus kamen dazu. Das war wieder starke Konkurrenz. Kurzum, die Situation wurde noch viel schwieriger. Aber anstatt mit Visionen und neuen Taktiken begegnete man dünnhäutig mit Durchhalteparolen sowie Publikumsbelehrungen und mit Berufssinsteigern in den Sportdirektorjob dem Problem.
Die Reihe nach Hilpert ist lang, egal ob Knüwe, Meinhold, Kuntz oder Ernst, alle Nachfolger von Hilpert bis Todt konnten nicht aus dem (finaziellen) Vollen schöpfen und vielen fehlte Bundesligaerfahrung. Der Mann an der Spitze entschied im Alleingang (Kuntz!), die Fans maulten und beide Parteien schmollten am Ende. Eine Streitschlichtung bleib meist ergebnislos. Die Einheit fehlte, das Zeil fehlte, die Vision fehlte, die Taktik war oft falsch und die Fehler summierten sich zum kleinen Supergau. Kein Thema, es ist ein schwieriger Markt, der Fußballmarkt, aber er wird auch gut bezahlt. Neue Vereine wie Leverkusen (1979), Wolfsburg (1997) und Hoffenheim (2008) owie RB Leipzig (2014) drängen auf den Markt und machen es alten Traditionsteams schwerer, was wiederum in der freien Marktwirtschaft (Kapitalismus) legitim ist. Jammern hilft nix, man muss besser sein, wenn man klein ist.
Leider war Bochum oft schlechter bzw eben nicht besser. Besonders fiel auf, dass der Abstiegskampf, den man ja mit viel Wissen und Erfahrung betrieb, am Ende mit dem Abstieg bzw neuerdings mit dem Nichtaufstieg beendete: War das 0-3 gegen Hannover so unwiederbringlich? Hätte man in Gladbach nicht auf ein 0-1 drängen können: Klar, die Schiris wie Perl, Brych und Co mochten Bochum irgendwann nicht mehr, was auch an der Schiribetreuung liegen kann - oder einfach daran, dass wir uns selbst so nicht mehr mögen. Man kann scheitern, aber oft entstannt der Eindruck, die Spieler würden nicht alles geben, man hatte auch im kleinen Bochum Legionäre wie die großen Clubs. Da hadert man lieber mit dem Schiri als den Fehler bei sich zu suchen. Man pfiff nun schneller und der Vorstand und die Journalisten entwickelten das Image der Bochumer Wutfans, noch bevor es ein bundesweites Phänomen wurde. Der letzte falsche Schritt in einem Puzzle von Fehlern. Man bewegt sich seit 1993 schrittweise ganz langsam nach unten….
Gestern verlor man ”nur” 1-2 in Union Berlin, nach einem unglücklichen 1-2 gegen St.Pauli kein Weltuntergang - eigentlich. Der zweite Fehlstart unter Funkel ist aber nun perfekt. Dafür hätte man Koller aus der Stadt gejagt, doch Bochums Fans sind nun selbst dafür zu müde. Die Bochumfans im Gästeblock waren wohl sauer. Und klar wird nach dem wohl erneut dünnen Spiel in der Fremde die Stimmung Freitag gegen Fürth nicht gut sein.
Die zwei Ausreißer (nach oben) in den UEFA-Cup (1997/2004) sind längst vergessen/Geschichte. Nun wird sich der Volkszorn auf F. Funkel konzentrieren, weil Todt nun sicher nichts dafür kann - und ALtegoer “selbst zurücktrat”. Aber ist Funkel nun schuld? An seiner bekannten, defensiven Taktik trägt nur er “die Schuld” und zwei Fehlstarts hat er zu verantworten: Aber Mißverständnisse wie Freier und das Altern von Leuten wie Maltritz (der Leistungsträger war über die letzten 12 Monate), Dabro sowie Mißverständnisse wie Federico, Dedic -und Pflegefälle wie Aza und Co - kann er nur verwalten. Die Ursachen beim erneuten Niedergang, dem endgültigen in die Zweitklassigkeit liegen sicher nicht beim Friedhelm Funkel. Die aktuelle Stimmung im Team schon.
Aber die Fans, die Freitagabend gegen Pauli noch den neuen, agilen Inui bestaunten und auf den wiedergenesenen Exoten Tese hofften, sahen im Osten Berlins laut Internetforen eine Bochumer Mannschaft, die wie immer mit einer Spitze begann und eine frühe 1-0 Führung - wie so oft - nicht in spielerische Dominanz umsetzen konnte. Dass die Abwehr seit dem Abstieg 2009 sich nun mit Malte und Sinke stabilisiert, kann man zwar generell sehen, aber in Berlin patzten Bochums Beste: Luthe (mit Brutaloschumacherfoul), Malle beim 2-1. Das bedeutet immer. im Team macht sich Angst und Verunsicherung breit. Einer wie Kramer (ein Bubi) zeigte das im Interview deutlich. Sinke hatte nach einer glücklichen Inuiführung das 1-1 in der 45. Minute durch Foulelfmeter verursacht. Neuhaus brachte in der 64. Minute einen neuen (Masquera) und der traf zum 2-1 Endstand. Das war’s. Vier Punkte aus fünf Spielen, sieben Punkte zur Spitze, von gutem Fußball Welten weg. Dafür stehen nun Funkel und auch Todt gerade. Während Dortmund und Schalke Pokale verteidigen, kämpfen wir nicht mehr um die erste Liga, sondern im grauen Mittelmaß von Liga ZWO. Es kann für länger vorbei sein und diese Wut wird nun Funkel abbekommen, weil kein anderer da ist als Sündenbock.
Er trägt natürlich auch Mitschuld an dem Fußball, der so schön ist wie das Geräusch von knirschender Kreide an der Tafel. Seine Taktiktafel mit dem 4-3-2-1 kennt nun jeder Gegner - und das 4-4-2 spielte er an der ALten Försterei erst, als Bochum schon fast das 3-1 kassierte. Der Niedergang macht sich an einzelnen Personen fest, die Gründe liegen in der Struktur und Planung und werden eigentlich von Pessimisten seit Jahren gesehen. Nun treffen sie scheinbar ein. Oder wie Olli es mir in einer SMS schrieb nach dem Spiel:
So weiter zu machen ist SINNLOS!
Naja, Funkel wird Freitag sein Endspiel bekommen, wenn Todt bei Berlin “mehr Leidenschaft sah”, ein Team, was alles gibt über 90 Minuten, sieht anders aus und diese Spieler könnten noch immer um den Aufstieg mitspielen: Aber viele von ihnen sind wie der Verein zweitklassig und wenn kein Wunder geschieht, werden sie es auch bleiben.
Die Zahl der Bochumfans wird drittklassig werden, wenn man die Entwicklung nicht schnell umdreht. Als ich 1981 Bochumpremiere im Stadion hatte, war Wattenscheid Zweitligist.
Ich hab ein wenig Angst, wenn ich an die nächsten dreißig Jahre im Stadion denke…….
Aber ich bleibe dran, denn wat willste machen….
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Tom, Wibelsturmcommando 1993
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