Die Ultrabredouille

Was für perfekte acht Tage im Dezember 2012 für die Bochumer Mannschaft und den Anhang des VfL: zwei Spiele, zwei Siege, dazu 7-0 (!) Tore, das hatte niemand zu hoffen gewagt, oder? Es waren ganz wichtige Wochen für den gebeutelten Verein von 1848, man hätte leicht ins absolute Nichts des Amateurfußballs fallen können. So hat man nun Mittwoch die Chance, gegen Sechzig das Jahr 2012 doch noch gut ausklingen zu lassen!!!!
Tage des Triumphs, die ein bittersüßes Ende fanden, weil sich in der Ostkurve bei Fanprotesten (erneut) altbekannte, offene Risse zeigten! Alle waren sich irgendwie uneins, es gab mehr Meinungen als Zuschauer - und das nach einem 4-0!!! Der größte Sieg seit langem und seine Folgen….

Es hätte an einem nassen Tag der perfekte dritte Advent werden können: Nach dem 0-3 Erfolg gegen Dresden (in der Kältebox) gab es verhaltenen Optimismus im Bochumer Lager. Zwei Heimsiege - und die Winterpause wären nicht der pure Graus: Umgekehrt, hätte man in Sachsen verloren [die Dresdener Fanproteste nützen da eher dem VfL], dann gegen die “roten” Ostwestfalen und wäre Mittwoch im Pokal raus, dann hätte manch ein Pessimist schon den Pleitegeier mit dem Abstiegsgespenst über der Castroper schweben sehen - und den Untergang vor dem Mayaweltuntergang am 21.12.2012 prognostiziert!

Gerade bei diesem Spiel einigten sich die ultraaffinen Fanszenen bundesweit zwar diesmal nicht auf einen einheitlichen Protest wie letztes Wochenende, doch man wollte auf jeden Fall weiter protestieren! So hörte ich beispielsweise per Whatsapp von Nicole von dem Totalboykott von Zaunfahnen, Schwenkfahnen und jedweden Gesang am Sonntag Mittag, geplant von den UBs und der FanIni. Im Stadion, am Block A-Eingang ,hing eine Erklärung, die wieder 12 Minuten Protest ankündigte. Diese Variante wählten auch die 300 Paderborner unter den 10.500 offiziellen Zuschauern. Aber die Ultras wollten den vollen 90-Minuten Protest! War wohl ein Abstimmungsergebnis….

Das besondere VfL-Dilemma ist/war, dass dieses Spiel für Bochums Team so eminent wichtig war, dass es sich eigentlich für einen solchen totalen Protest nicht eignete. Also war man sich von Anpfiff an uneins und die BO-Ultras schwiegen beharrlich, während Bochums Team in blau und weiß auf dem Rasen Dampf machte und die Roten verwirrte. Doch konnte man als treuer Fan da schweigen? Müsste man nicht viel eher die Mannschaft für Dresden und ihren heutigen Kampf belohnen? Aber war man als Ultra nicht auch Verräter an der eigenen Idee, wenn man klein beigab? Das Schweigen war ein friedlicher Protest, eher Ghandi als HAMAS! Oder ein ignoranter Schritt?

Auf der anderen Seite wollten die Ultras getreu ihren Prinzipien für Stadionchoreo, Rauch, Leidenschaft, Pyro, Support und extremen Enthusiasmus - fern von Staat, Mainstreamgesellschaft, Verbandsfuzzies und Vereinsoberen gegen die teils überzogenen Repressialien sowie die Scheindemokratie der DFL protestieren. Das seit 10 Tagen taten alle BRD-Fanszenen, aber es passte nicht ins Ruhrstadion, wenn man nur von der Dramaturgie des Spiels ausging.

Hatte man an Anpfiff noch einheitlich für OPELs Mitarbeiter SOLIDARITÄT gezeigt, so wurde man sich während des Spiels uneinig, was in Schlägereien und “Ultra raus”-Rufen, fliegenden Bierbechern, Mittelfingern und endlosen Diskussionen endete! Moppel tut mir die Woche leid!

Dass daran eine überaus überzeugende VfL-Mannschaft schuld war, ist eigentlich die Obskurität des Tages! Denn Bochum kämpfte wie ein “Löwenteam” und machte durch die erste Ecke per Aydins Kopf das verdiente 1-0. Aber man durfte da ja eben nicht jubeln, wenn man Ultra war - eine blau-weiße Zwickmühle! Dieser gordische Knoten wurde noch dicker, als man nun das 2-0 durch Jungstar Goretzka sah - ihn sollten die Fans nach dem Abpfiff gemeinsam feiern! Der Jungstar ist der neue Fanheld. Mann des Tages wurde jedoch Aydin durch das 3-0, dazu der diesmal sichere Esser, Sinke, Dabro und Malle sowie der neue Kramer!

Aber während dem sieglosen Paderborn nix einfiel, zerzankte sich Bochums Publikum in bester “Volksfront von Judäa gegen Judäische Volksfront gegen Populäre Front” Manier - Monty Python lässt grüßen!

Mich hielt es teilweise nicht mehr auf dem Sitz, der von mir rechte Seite der Ostkurve und Teile des Blocks A feuerten an, doch einige schwiegen und andere schwiegen wie immer. Man konnte nicht sagen, was en detail los war, doch man ging mit einem respektablen 2-0 in die Pause. Eigentlich ein Moment seltenen Glücks, was nur die Fans in Dresden erlebt hatten: Da gab’s schon laut Gerüchten eine Ultraabspaltung einer erlebnisorientierten Gruppe vom Rest der Ultras! Ärger to come….

Unter der Woche hatte am 12.12. die DFL ihre 16 Anträge durchgebracht und Andreas W. von “WIR sind VfL” hatte in seinem Blog “Lagerstätte” das neue Fangremium um Dämon, Matthes, Jan und Olli etwas launig kritisiert, was diese wiederum als sehr unfair empfanden, da die Vereinsverlautbarung auf der HP ihre Arbeit scheinbar sehr verkürzt wiedergab!

Es gab also schon massig Stress in Bochums Fanvolk vor dem Anpfiff. Doch als Bochum die Landschnitten nach dem Pausentee geschickt “kaputmalochte” (Kramer ist wieder richtig stark!), wollte die Masse der Fans einfach feiern. Die Ultras hätten hier sich gegen ihre Doktrin den Protest auslassen müssen, doch das konnte man nicht wegen des Gesichtsverlustes! Also schaukelte es sich hoch! Stur meets stur!

Die linke Seite der Ost kämpfte gegen die rechte, UB schwieg eisern weiter. Man hätte sie schweigen lassen können. Die Ultras hätten die Mittelfinger (und Bierbecher) gegen Bochumer ihrerseits vermeiden sollen. Fünf Leute der nicht ultraaffinen Fans bedrohten dann wohl einen Ultra und schlugen ihn, was wohl eine vermeintliche Racheaktion nach sich zog. Man brüllte links “Ultras raus”, “Wir wollen den Trommler sehen!” und nach dem 3-0 durch den erstarkten Kurden auch “Ohne Ultras gewinnen wir jedes Spiel!”. Dann kam der für Dedic eingewechselte Scheidhauer und machte das 4-0. Nun tobte der kleine, alberne Fankrieg erst recht, einige wollten die Feiern, die Schweiger wurden als Blockadler empfunden und alles schimpfte! Totale Konfusion in Bochum, während Neitzels Team den Durchblick hatte. Sogar Rothenbach und Chaftar fielen diesmal nicht ab! Zwickmühle par excellence!

Das 4-0 war trotz der Führung von Dresden und Duisburg ein toller Moment, den wir Bochumer uns selbst versauten. Der Konflikt Ultras und der Rest brach mit allen Vorurteilen wieder auf und wie in anderen Stadien gabs interne Befindlichkeitskonflikte. Die Masse der Fans schimpfte dann nach dem Abpfiff auf die Ultras, die fühlten sich unverstanden. Die Mannschaft bedankte sich (gewohnt) zurückhaltend und viele Leute werden nach dem Spiel sehr viel diskutiert haben, aber nicht nur über Bochums kleines Fußballwunder! Die Foren wie VfL4u etc. werden munter tickern!!!

Wer hat denn nun recht? Der Schwenken, der Verein, die DFL, die Ultras, die Politik, die Ost rechts, La Onda, die Innenminister, die alten Fanclubs, Neitzel, Bo-City, Todt oder Reis? Wer kann es sagen, nie war man sich so uneins wie bei dieser Diskussion, wo wir ALLE noch viel reden müssen. Sehr, sehr viel!

Wenn der Streit “Ultras als Elite, der trotzige Rest” bedeutet, dass wir Bochumer immer siegen wie heute: Hört gegen Sechzig nicht auf Euch zu streiten!

Im Ernst, gegen Sechzig volle Pulle gegen den Giesinger Löwen!

Tom, CB’93

P.S.: …die Kölner Ultras des Ãœberfalls nach dem Spiel behaupten in ihren Foren, “sie hätten uns Commandanten das Banner freiwillig zurückgegeben, da wir ein Normalofanclub waren!” Wiha! Wir sind doch nicht normal ;-) ))

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