Si tacuisses philosophus mansisses !

Die blau-weiße Sport-Nachricht wurde seit Samstag geflüstert, seit Sonntag leise von GP postuliert und heute faktische, knallbunte Gewissheit. Der bekannte Pott-Schnäuzer (wenn die Massen nach Schnäuzermänner gieren, ist oft die reale Hoffnung schon weit weg!) ist wieder zurück an der Castroper Straße (2001-2005), seinem Revier, der Ur-Schalker mit Herz für Bochum und den Efzeh Köln ist wieder zurück beim VfL Bochum als Cheftrainer. Er hat sich oft genug darum beworben. Alle Leute konnten am Montag Morgen am Arbeitsplatz nicht Staunen, aber um 10.00 Uhr brachte NTV (der Nachrichtensender) den VfL Bochum vor den roten Bayern und ihrer tollen 23. Meisterschaft, zu der ich hier nochmal gratulieren möchte. Und Mittwoch ist hoffentlich Juve dran!

Mit großen Bildern im TV von Peter N. und dem VfL  - und der erste, gewünschte Effekt des Trainerwechsels war schon eingetreten: ein landesweiter Mediendonnerhall, von Bild-Online über SKY bis hin zu NTV, um den zum Zwergenstatus geschrumpften Club VfL mit zuletzt noch 13.133 Livezeugen zu pimpen. Während sich beim tadellosen Karsten Neitzel 2-3 Journalisten auf der PK verloren (und am Ende langweilten), werden heute garantiert mehr Medienvertreter am Start sein, wenn Peter Neururer, der einst magische Held von 2003, uns Bochumern den Klassenerhalt als Ziel mantramäßig vorbetet. Wenn Peterchen dann was verbildlicht, verballhornt, aufhübscht werden die Bochumfans entrückt, verzückt, geschockt, angewiedert, gespannt oder verwirrt staunen ….. und das hatten sie sich nach der Freitagsklatsche schon fast abgewöhnt. Das Hoffen ist unerklärlicherweise zurück. Der achte Trainer seit 2009, der dritte Sportchef, sie beide, Todt und Neitzel wurden entlassen, weil der Vorstand plus AR handeln mussten. Eine Bilanz als Grauen, vier Niederlagen in Serie bestaunte man zuletzt, ein Sieg in 9 Spielen. Insofern war der Schritt folgerichtig, höchste Zeit und notwendig. Peter löst Emotionen aus. Das taten Herrlich, Heinemann, Funkel, Bergmann, Neitzel und Co nicht. Neururer ist erfahren, nicht ausgebombt wie Rehagel, aber irgendwie auch ausgelutscht. Sein eigenes, lebendes Klischee. Der Polarisator.

Ob die entnervten, zynischen und geschrumpften Fanbestände des Vfl gegen St. Pauli/1. FC Köln/Union Berlin den Signalen des alten Trommlers ins Stadion folgen, wird von dem Ergebnis in Cottbus und dem Medienecho abhängen. Es ist die allerletzte Patrone - und entweder Peter wird wieder “Peter der Große”, “der Vortänzer”, - oder er wird Pate des Bochumer Untergangs und somit würde das das Ende seines beruflichen Comebacks bedeuten -  und er könnte Berater und Kolumnist werden oder wie immer: anstrengend.

Viele BochumerInnen werden ihn nichtdestotrotz als Architeken besserer Zeiten sehen, andere als Retter, Erlöser, Bessermacher, in Reminiszenz an die Vergangenheit vor 10 Jahren und Option für die (rosige, ferne) Zukunft, manche aber auch als nervigen Schaumschläger, andere wieder als Zumutung für die Augen/Ohren und anbiedernde Provokation an das Pottklischee, mit Jogger und Lederjacke, wieder andere schlicht als Geschmacklosigkeit in Bildern oder Planlosigkeit des Vorstandes, der hilflos vor den Trümmern des VfL stand.

Pro Peter ist sicher u.a. die pragmatische Fraktion, die sich einen kurzeitigen Effekt erhofft: kurz punkten, dann loswerden. Die Erfahrung jenes Mannes plus seine natürliche Begeisterung, dazu das Kennen des Bochumer Umfeldes und solcher Spezialaufgaben wie Pyschofreier, Altherrendabro und Trainerschleimer Maltritz könnte er bis zum Saisonende lösen. Vieleicht kann er die fachlich gute, taktische Arbeit eines Neitzel (der die Defizite von Bergmann aufarbeitete) mit seinem Habitus ergänzen und seine Peitsche gegen den bösen Gegner schwingen, sodass Bochums Selbstzerfleischung nicht stattfindet. Er kann die Mission seines Ex-Parton Altegoer fortführen, den Verein etwas zu konsolidieren und wäre wieder überall gefragt und könnte seinen elaborierten Senf dazugeben. Da liegt das Problem: Peter kann noch schlechter Schweigen als der Schreiber dieser Zeilen, er kann sich nur widerwillig zurücknehmen. Der, der unterhält, ist leicht angreifbar bei Misserfolg und wenn seine schwere Mission schiefgeht, wird sich die Wut auf den “falschen Propheten” fokussieren. Dann werden die Emotionen noch höher schlagen als bei Gelingen. Peter du bist Deines Glückes Schmied, ohne ein Dietz zu sein.

Er, der keine Stileikone ist, aber sicherlich authentisch, muss auch zeigen, dass er nicht zu lange aus dem Tagesgeschäft raus oder zu alt ist. Der Herzinfarkt beim Golfen kann ihn stärker getroffen haben als er zugibt und er überzieht gerne mal, nicht nur beim Porschefahren zum Arbeitsamt in Gelsenkirchen im lila Jogger. Er wird auch was zu Nordkorea sagen oder sonst was Dummes, hauptsache er ist im Gespräch. Die Haare werden lang oder kurz sein, der Schnörres obskur und die Aufgabe gewaltig.

Ist diese verlotterte VfL-Truppe überhaupt zu retten? Kann Peter Neururer aus Chaftar, Scheidhauer und Gelashvili was formen, außer eine wie auch immer geartete Zumutung für die Augen? Kann er mit seiner Show ablenken von den empfindlichen Psychen der Spieler?

Kann man so kurzfristig Kondition, Spielwitz, Passkontrolle, Zweikampfstärke und Standardbeherrschung bei Spielern erreichen, die gerne die Schuld am eigenen Scheitern woanders suchen, wie Luthe am Freitag nach seinem Fauxpas? “Die Fans sind schuld” wirds bei Peter nicht geben, dazu ist er zu schlau. Er weiß, dass er sie braucht! Er pusht die Massen, er fordert sie heraus, zumindest war das mal so. Kann er das noch?

Die letzte Patrone für die letzte Schlacht ist nun im Gewehr und wenn sie nicht trifft, wird es so düster wie noch nie in Bochum, der Stadt, die den Opel-, Nokia- und VfL-Niedergang ertragen muss  - und nun auf einen Mann hofft, der selber auf eine neue Chance wartet. Aber wir haben nicht 2003, sondern 2013! Wir rennen in Aachen nicht mehr aufs Feld, der Tivoli ist abgerissen!

Es wurden nicht Büskens, nicht Lothar Matthäus, nicht Funkel (der sich heute im Kicker bei vielen Clubs bewarb!), nicht Wosz, nicht Gerland, Schafstall oder sonstwer, nicht mal Sylvia Neid, es wurde Peter Neururer, den Elf Freunde heute schon mit dem Solidaritätsbastelbogen feiern.

Es gibt nur einen Gradmesser für den Erfolg dieser skuril-mutigen Aktion: den Klassenerhalt in der 2. Liga in diesem Jahr und dann war alles richtig, sonst alles falsch. So einfach ist das. Sieg oder Tod, fast wie in Nordkorea….oder venceremos!

Tom, CB’93

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