Beklaut und dennoch reich geworden

Freitagsnachmittags sind die Züge des RE 1 von Aachen nach Hamm immer voll wie Hulle, diesmal stiegen schon in Aachen die ersten freako Pauli-Fans ein und auch in Köln wars so, zusammen mit ein paar Bochumer Einzelkämpfern betrat man die Waggons. Der Zug ist imer brechend voll und war dennoch erstaunlich leise im Innern. Neben mir las einer die Bibel - ob da was über Peter N. steht oder in den Prophezeiungen des Nostradamus? Ich erfuhr aus der Bild Köln von gestern, dass Bochum die zweit- hoffnungsloseste Stadt in Deutschland nach Chemnitz und vor Gelsenkirchen und Bielefeld ist. Mon dieux. Ich kam vor Lesen nicht zu einem Bier oder Kaffee am Bahnhof in Bochum, weil ich ja Bernies Abschied um 17.40 Uhr mit Kranz, Banner und YOU’LL NEVER WALK ALONE Song live erleben wollte, nach einer schrecklich emotionalen Beerdigung am Donnerstag. Doch wie zu erwarten gab’s unten am Bahngleis Bogestrachaos wegen der 26.000 Zuschauer (Die Aktion des Fangremiums, jeder der 13.000 Auelivezeugen bringe einen mit, war offensichtlich ein numerischer Hammererfolg, thx Drohnie and the Rest) und von 17.15 bis 17.40 Uhr wartete ich mir mit Philipp vom Klüngel die Beine in den Bauch und lies U-Bahn über U-Bahn passieren. Paulianer und Bochumer drückten sich gegen die anrollenden Bahnen der Linie 8/18. Die Paulianer sahen aus wie Ehrenfelder Akademiker, Man-in-Black, die etwas alternativ angehaucht sind und ich will mich jetzt vor weiteren Schubladen hüten, aber mein Portemonnaie war in just jenem Geschubse plötzlich weg. kacke. Ich verorte es trotzdem mit den braun-weißen Fans und nicht einem Trickdieb. Drei Mädels im Bochumtrikot, die nicht wussten, wo das Ruhrstadion ist (!), suchten mit, doch es lag nirgendwo auf dem kalten Stein. Ein Suffdieb oder ein anderer Typ raubte mich unbemerkt aus und ich habs erst eine Minute später gemerkt. FUCK: Dauerkarte, Geld und meine EC-Karte waren damit passé. Ich fuhr mit den lsutigen Emmerichern zum Stadion, die mir sofort die Karte vom Velberter (!) anboten (geschenkt!), doch ich musste ja schnell zum A-Block, zu meinem Haufen. Nur hatte ich weder eine aktuelle Eintrittskarte, noch den kopierten Perso, noch ne EC-Karte, noch irgendwas außer meinem Handy/Schlüssel. Aber die Frau am Eingang kannte mich (man stelle sich sowas mal in Dortmund vor oder in Hamburg!) und lies mich rein. Leider bekam ich die Hymne für Bernie und die Blumengebinde-Ãœbergabe von Atta nicht mit, was mich noch mehr ärgerte wie das fehlende Portemonnaie. Ich konnte mir nun nicht mal ein Bier kaufen und hatte einen trockenen, dicken Hals.

Die Stimmung im Ruhrstadion war hingegen stimmungsvoll wie erwartet, alle waren gekommen, um Peters Heimdebüt zu sehen. Medienhype deluxe. Selbst Chuck Norris hätte das Stadion nicht voller gekriegt. Doch wie würde die Mannschaft um Bubistar Goretzka reagieren? Wäre sie diesem gewaltigen Erwartungsdruck gewachsen? Oder versagen ihnen (Paule?) die Nerven und die Hamburger kontern uns cool aus? Frontzek wird den Braun-Weißen sicher genau das gesagt haben: was sie erwartet, wenn Peter Bochum wachküsst. Das Piratenschiff war also präpariert. Bochums 4-4-2 hatte zunächst auch Probleme mit Paulis Defense, die zunächst sicher stand und Aydin und Dedic im Griff hatten. Ratsche und Tasaka blieben zunächst blass, aber bemüht.

Aber Bochums Elf kämpfte sich nach Stottern ins Spiel, angepeitscht von den Fans in Blau-Weiß. Ratsche prüfte Demnächstmannschaftskollegen Tschauner, der parierte nach rechts weg. Innere Gänsehaut bei mir trotz Brieftaschenfrust, aber Andy Luthe machte den Bochumer Fans beim Herauslaufen Sorgen, weil er einfach entweder zu sehr auf der Linie klebte oder den Ball beim Herauslaufen nicht hatte. Auf der Linie war er richtig klasse und hielt Bochum auf Siegeskurs. Die Hamburger hatten das zunächst ganz gut gemacht, obschon Acquistapace Ginczek schon gut aus dem Spiel nahm. Manchmal kam auch Maltritz dazu, die IVs gönnten ihm kein Tor (!) und Bochumschreck Marius Ebbers saß noch auf der Bank. Das 0-1 fiel nicht, weil Peter N. neben Glück, Lauf auch Disziplin und den Kampfgeist von der Mannschaft einfordert und vorlebt. Mehrere Knoten platzten gestern. Kopfknoten.

Nach 15 Minuten befreiten sich die Mannen von der Castroper vom Druck und Ratsche und Tasaka versuchten Dedic und Aydin ins Spiel zu bringen, was St Pauli mit einem guten Zonenpressing zunächst verhindern konnte. Einen fälligen Handelfer gab der Schiri zunächst nicht, doch irgendwann lag ein C. KRAMER nach einem Tasakapass (gestern richtig KLASSE) im Strafraum, in den man schon vorher eingedrungen war und der Schiri Schmidt zeigte diesmal korrekt auf den Punkt. Verdienter Elfer, von Thorand verschuldet, und Dedic verwandelte anders als vor Bergmanns Demission in Aue - ziemlich sicher. Durchatmen. Die Leiche lebt wieder…..Wiederauferstehung nach Ostern durch den Messias von Haltern.

Nun war “die blaue Bestie” (O-Ton-Präsi) erwacht und das Stadion minus 3000 Paulianer jubelte euphorisch dem Team zu. Noch vor 2 Wochen undenkbar. Es gab höhnische Kommentare gegen eigene Spieler, Luthe winkte ab. Kann Peter nun doch zaubern? Es schien so. Diese furiose Phase wurde mit dem 2-0 von Dedic in der 37. Minute als BEINI gegen Tschauner gekrönt!!! Das 3-0 schien möglich, doch auch die Kiezkicker hatten ihre Chancen, sie machten sie einfach nicht, allen voran Ginczek. Das kennt man eigentlich von Bochum, mangelnde Effektivität vor dem Tor bei stetigem Bemühen.

Man ging rundrum zufrieden in den Pausentee, außer man war aus Hamburg, Lübeck, Kiel angereist oder war irgendwie hömmamäßig-alternativ unterwegs. Nee, eigentlich mag ich die herrlich verrückten Hamburger ja, aber nach dem Handy bei Herzblut von St Pauli- Paddy klauten die mir die Patte, das nehm ich jetzt mal persönlich wie das Abwerben von Ratsche. Wobei….Peter wirds irgendwie richten, dass ich alles zurückkriege von denen da. Auch Ratsche…und überhaupt.

Dass es in der 2. Häfte nur 2-3 mal eng wurde (Ginczek/Kringe), ist nur eine Randnotiz dieses Wiederauferstehungsspieles. Das 3-0 machte Tasaka in die rechte untere Ecke, nachdem er in der Situation vorher alle ausgetanzt hatte, ohne den Torwart zu vernaschen. Der Mann aus Nippon war gestern Weltklasse am Ball, dazu machten Doppelpack-Dedic und Freier ihr bestes Spiel seit ganz langer Zeit, denn auch in Cottbus hatten sie Grütze gespielt, trotz des 0-2. Es brannte nix mehr an, weil alle Luthe halfen, seine Bude vor der OST sauber zu halten. Die Norddeutschen waren geschlagen und sie sind letztendlich heute so zu berschreiben: “Ihr mit Euren in den Sozialstunden gebastelten Che Guevara-Fahnen seit letztendlich nur BRD-Kommerz wie Hoffenheim und Wolfsburg” wie es ein Dresdener “so nett” ausdrückte. Die Achtziger sind vorbei Jungs…

Nein, dieser neue VfL Bochum spielte gestern mit Herz und Leidenschaft, präszise und ehrlich. Köln kann kommen. Peter ist der Erlöser, auch wenn viele das nicht glauben wollen, er bringt einen neuen alten. Auch wenn es immer noch skuril wirkt, wenn Hunderte ihn fordern und feiern. Sie wollen den Fußball von 2003 zurück. Der Verein zeigte  insgesamt in Form von Moppel und Ralf Zänger bei Bernies Tod ganz, ganz viel Stil, Mitgefühl und den Slogan “Familienverein” kann man auch so echt leben. Das wurde nach dem Abpfiff klar, als hunderte Bochumer nicht gehen wollten und alle entspannt der Mannschaft beim Auslaufen zusahen und sie feierten. Nur nach Hause gehen wir nicht… 

Ich sags ganz klar: Das ist ES, was wir wollen. Leidenschaft, Maloche, Herz, Kampf und Trotz, keine Piruetten von mopsenden, alternativen Denkrichtungen, keine Dortmunder Championsleagueaffen mit Dickelhysterie, keine Asoschalker ohne Zahnersatz, keine Nazitruppen aus Dresden, keine Randalemeister aus Frankfurt, kein Mainzerdauerkarneval, sondern blau-weißen Kampf ums Dasein, Gemeinschaft und gelebten, authentischen, guten Fußball in blau und weiß. So gesehen wurde ich gestern reich, sehr reich. Es wurde mir klar, dass es sie tatsächlich gibt, die Fußballalternative zu den Riesenvereinen mit ihren anonymen Fanmassen, wo man nur eine kleine Nummer ist. In Bochum bleibt man eine Person, ein Mensch, der lebt und leidet mit dem Club.

Und dass das alles Messias Peter brauchte, den Schalke-Köln-Bochumer, um uns das zu zeigen, ist ein wenig verrückt. Der Peter ist aber kein Religionsersatz, das ist DER Fußball an sich. Peter ist die leibgewordene Mediendauerkirmes, der 365 Tage-Karneval mit Schnäuzer, der Erlöser vom grauen Abstiegsalltag. Und die Spieler wie Paule, Dabro und Malle glaubens ihm, Scheidhauer, Iashvili und Ortega hat er für Disziplinlosigkeit abgestraft. Peter Neururer duldet keine Halbherzigkeiten und so wollen wir Fans das.

Die Schlangen, um Karten gegen Köln zu holen, schwollen vor dem Fanshop an. Die Euphorie in der gebeutelten Stadt ist wieder da. We’re not gonna take it.Der Präsi von Ost sagte mit auf der DDB-Party im Tarm, sowas habe er seit 1970 nicht erlebt. Kann sein, dass da was dran ist, auf jeden Fall waren wir mausetot vor 2 Wochen und seit gestern quicklebendig und die Sandhauser freuen sich weder auf das Spiel in Berlin noch auf das Match gegen Petertown am Fr, wette ich.

Und auch die Kölner werden nicht begeistert sein, bei uns zZ zu spielen. 2004 schlugen wir sie unter Peter N. 4-0. Und das wird er seinen Jungs sagen, sie werden ihm glauben.

Ich glaube seit gestern, dass wir es packen. Aalen droht der Lizenzverlust. Wir verlieren nicht in Sandhausen und schlagen Union oder FSV und gucken gegen den FC, was geht.

Passend wäre gegen Köln und Union den Redemption Song von Bob Marley zu spielen, nicht nur für Bernie. Wir suchten Erlösung, wir haben sie gefunden in uns. Und das gestern war fast besser als Sex, ein Koksrausch ohne Geld und Koks, weil wir den Glauben an uns selbst wiedergefunden haben. Amen

Tom, CB’93

P.S.: Der Gruß geht diesmal an das Commando-Höxter und seine zwei coolen Jungs, die seit Jahren in der Ferne die kleine blau-weiße Fahne hochhalten, an der Grenze zu Niedersachen: Widersteht schwarz-gelb und königsblau. Klasse statt Masse! Würde Peter sagen….oder We will never surrender!

 

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