Über die Liebe zum Fußball

Es gibt immer wieder nichtfußballinteressierte Außenstehende, die sich gelegentlich fragen, warum man Freitags zu einem Spiel nach SV Sandhausen reist, sich um 1848 Uhr IMMER freut oder wie ein erwachsener Mann heulen kann, weil sein Fußballclub gegen Hannover absteigt. Das scheint ziemlich schräg.

Wenn man so einen Tag hat, wie ich gestern, kann man nur sagen, was außer Fußball kann einem solche heftige Emotionen hervorrufen, wie dieser Sport es gestern bei mir (und 20.000 Bochumern) tat? Ok, die Geburt eines Kindes und andere Zäsuren im Leben sind sicher noch emotionaler….aber das erlebt man nicht in der Gruppe.

Ich hab gestern normal in Porz gearbeitet (bis zur 6. Std.) und fuhr mit zahlreichen Arbeitskollegen und einer Sportkollegin zur Sporthochschule nach Hennef (Sieg), wo der Fußballverband Mittelrhein ein wirklich fetten Stützpunkt hat, mitsamt Klettergarten, Schwimmhalle, Mehrfachhalle und und und. Aber man zieht sich in der zu kleinen Kabine um, es ist nur ein läppisches LehrerInnenturnier und trotzdem ist man irgendwie nervös. Ich denke, man egal, heute abend gilt es beim Spitzenspiel VfL gegen KSC, aber hier geht’s doch wirklich um die goldene Ananas. Aber ich bin tatsächlich etwas angespannt, wer will schon verlieren. Ich trage die Nummer 5 im schwarzgewandten Lise-Meitner-Gesamtschulteam und merke, die Wahrheit liegt wirklich auf dem Platz. Ein Buch schreiben ist eine Sache, die Murmel vernünftig spielen eine andere. Letzteres läuft noch nicht so gut, zwei Fehlpässe, ich kämpf mich aber ins Spiel rein. Ein pass führt zum Tor. Freude. Licht und Schatten wechseln sich ab, aber der Ossigrantler in unserem Tor und die Stürmer vorne machen ihren Job gut, 2-0 im ersten Spiel. Dann kommt das zweite Spiel und wir stehen von Anfang an brutal unter Druck wie Bochum gestern auch lange. Dass es bei uns lange 0-0 steht, verdanken wir dem Torwart und dem Teamgeist, auch Doro unsere neue spielt ne ordentliche Kugel. Dann kommt ein Ball, den ich wegschlagen will und von hinten dreht sich der gegnerische Stürmer rein, ich trete ihn voll 8unabsichtlich) weg, der Typ fliegt und schreit. Der geschickt rausgeholte Freistoß wird unglücklich zum 0-1 verwandelt, weil ein Kollege aus der Mauer ausschert, der Ball berührt meine Wade: FUCK. 0-1 verloren, ich 20 % Mitschuld, Ärger pur bei mir. Das dritte Spiel, mein letztes, weil ich zum VfL will und durch Stauköln wie ein Schnecke kriechen werde, ist komisch. Wir laufen dem Gegner auch hinterher und ich will alles hinten dicht machen, stopfe Löcher, doch es brennt zu oft. Der Inder auf meiner Seite hat ganz schön Drive. Der Ball tickt auf in einer Szene, ich schirme ihn ab an der Außenlinie, der Gegner schubst mich mit beiden Armen weg. Was mir sonst nie passiert, passiert jetzt. Ich verliere die Nerven und trete dem Kollegen dermaßen in die Hacken, dass selbst der blinde Knut Kircher am Abend mir Rot gegeben hätte, einfach nur dumm. Zum Glück gibt’s HIER HEUTE keinen Schiri. Ich werde von den Chorweilerkollegen als “Idiot” bezeichnet, Emotionen kochen hoch. ich bin stinksauer. Ich muss eh weg und werde kurze Zeit später ausgewechselt.

Auf der über zweistündigen Fahrt zum Spiel denk ich, ehrlich gesagt, weder viel an den VfL oder den möglichen Sieg des VfL über den KSC, sondern ärgere mich. Sowas passierte mir in 13 Jahren SV Gerthe 1911 nie, gestern passierte es bei so einem Juxturnier - auf einmal. Und die Sprüche werden kommen wie sonst nach einer Bochumniederlage.

Aber das ist Fußball, der Wille zu siegen, die Leidenschaft, das Verlieren, díe Labereien danach und es spielt gar keine Rolle auf welchem Level das passiert und wo. So kam ich nach zwei Stunden an der SB-Tanke am Stadion an, parkte dort und ging seltsam entspannt zum Block A, obwohl ich 5 Minuten zu spät dran war. Vorspiel verpasst, kein Gerede vorher, Gröni-Hymne verpasst und Bochums Druckphase mit dem Schuß von Timo Perthel rechts am Tor vorbei verpasst. Schade, weil der KSC danach kam.

Knapp 22.000 Zuschauer sahen eine Bochumer 4-3-3 Formation mit Terrodde auf dem Pin, die zeigen wollte, wer Herr “im Hause Bochum” ist. Der VfL hatte aber schon beim dem Strohfeuer Probleme gegen die forcheckenden Badenser und ich spürte sofort, wie gut die Stimmung Anna Castroper sich darstellte, obwohl das Spielerische des VfL zu wünschen übrig ließ.

Leider hatte der in Ge-Ückendorf geborene Trainer seine Karlsruher sehr gut, sehr laufstark und kompakt gestellt und das ständige Verschieben behagte, dem VfL-Mittelfeld garnicht. Celozzi und Perthel schienen ebenfalls hinten nicht immer sicher und so bekam der KSC das Spiel nach 12-15 Minuten besser unter Kontrolle und spätestens nach 20 Minuten spielten nur die Badenser auf dem Rasen ihr Spiel und der VfL lief hinterher.

Kempe Junior (der Sohn des famosen Ex-Vfl’ler Thomas) vernachschte drei Blau-Weiße auf rechts wie einst sein Vater es tat, die Flanke wurde gut reingeschlagen auf Torres, der Esser (und Perthel) keine Chance ließ: 0-1 per Kopf - und das 0-2 wäre fast sofort danach gefallen, doch Micanski sollte gestern zum Glück ein Chancentod bleiben (drei Chancen). Zum allem Ãœberfluß - in dieser Phase - , holte sich Fabian eine Gehirnerschütterung gegen die schwarze Perle der Karlsruher ab. Debüt für den jungen Leverkusener Verteidiger, der sich gut präsentierte, nach dem Einsatz von Herrn Dr.Bauer und seiner Trage.

Doch Bochum ließ dem KSC nicht nur die Minuten 15.-45., sondern auch den kompletten Start in die 2. Halbzeit. Die Emotionen vom Turnier zuvor kamen jetzt wieder doppelt hoch, als die schwarze Wand für die Bochumer Spieler noch undurchdringlich erschien. Das 1-1 durch den fast abgeschriebenen Tasaka fiel aus dem Nichts, Gordon hob das Abseits auf und so netzte der Japaner die Vorlage von Latza ein. Riesenjubel. Dieses Mittelfeldduo hebt gerade seinen Preis, was Terrodde und Sestak an diesem 5. Spieltag nicht schafften. Sie blieben blass und wirkten zuweilen müde.

Die letzten 20 Minuten waren dann aber eher VfL-Minuten, wobei der KSC mehrfach gefährlich konterte und einfach die bessere Mannschaft blieb an diesem warmen Sommerabend. Hätte Forssell das 2-1 gemacht, es wäre unverdient gewesen, aber es hätte der Euphorie in der Stadt weiter geholfen. Schade.

Aber leider war das Glück am Ende nicht mehr so sehr auf unserer Seite, trotzdem wurden die Spieler mit prasselndem Applaus nach dem Abpfiff des 1-1 verabschiedet. Die Fans waren nämlich trotz des dritten 1-1 im dritten Heimspiel insgesmt zufrieden, weil einfach gestern ein starker Gegner nicht mehr zuließ und ihr Team nicht 0-4 unterging, wie es letztes Jahr der Fall gewesen ist.

Nein, der VfL unter Peter N. und Christian H. hat wieder alte Emotionen geweckt und nach dem Spiel fühlte ich mich doppelt so hochgepusht, wie nach dem Foul im Freizeitkick. Diese 1848-Emotionen sind so stark und die Bindung der Fans in Bochum an den Verein ist größer als man denkt. Viele Alte kamen und kommen wieder, man sah, die Fans sind neugierig auf den neuen VfL.

Ich bin dann sofort rüber von der Südtribüne zum Fanshop und habe eine 1848-Baseballjacke angezogen. Ich habe sie ebenso wie die neue Jacke anprobiert, die der Präsident des CB gestern auftrug - und konnte mich einfach nicht entscheiden, weil mein Blut immer noch hoch kochte. Fußball ist Gefühl, kann man nicht anders beschreiben.

Dieser Sport ist einfach geil, der gibt mir (und vielen anderen) soviel und beim VfL - oder in der Kreisliga B oder beim Freizeitkick - ist er noch so, wie er sein sollte: echt, erdig, laut, wild und etwas ungehobelt.

Auf den Parties der Brigade und der Ultras traf ich nach zwei Interviews (WDR 5, Westline online) das literarische Quartett der Treuen und Kevin sowie Rudy (hoffe an UB, Treue und Brigade die Bücher mit Widmung sind angekommen).

In Bochum ist man tatsächlich noch sowas wie eine Familie beim Fußball. Da braucht ihr nicht mit Championsleague und sowas kommen, tief im Westen lebt der Sport mal immer noch sowas von heftig, da ist der Aufstieg nur der Bonus und noch habe ich diesen Traum.

Tom,CB’93

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