Als der Knecht Ruprecht sehr böse werden musste…

Das 3-3 des VfL Bochum gegen den FC St. Pauli im Ruhrstadion sollte nicht wegen des vermeintlich guten Fußballs der beiden “Mehr-oder-weniger-coolen”-Kultklubs oder der vielen Tore (6!) und der daraus resultierenden Spannung ins Bochumer Vereinsgeschichtsbuch eingehen: Nein, die üblen Begleitumstände dieses Vornikolausspieles waren Pyroaktion, gute Transparentshow, Gewaltärgernis oder einfach nur Spektakel. Aber am Ende waren alle unfroh: Nachdenklich stimmten die 17.000 Fans nicht nur die Abwehrleistungen der beiden bemühten Teams, sondern auch dieser Hauch von “Krieg der Fans”, der gestern in Grumme sehr sichtbar wurde.

Nachdenklich stimmte das alles auch den, der ein Herz für seinen geliebten VfL hat, denn er sah gestern einige schlimme Vorfälle im Stadion. Zunächst mal Glückwunsch von hier an die Ultras Bochum 1999, die gestern zum 15-jährigen alles zeigten, was sie als Gruppe ausmacht. Und das wiederum hat nicht allen gefallen in der Ostkurve, vor allem am linken und rechten Rand (was hier nicht politisch gemeint ist). Es gibt dazu einiges zu sagen, am besten wäre aber, die Beteiligten würden sich selbst mal äußern, denn das Commando ist zur Zeit die Schweiz.

Bochum spielte 10 Minuten ganz passabel (Terrodde vergab eine Chance), ehe St Pauli in braun-weiß (nicht politisch gemeint ;-) )) etwas mehr nach vorne investierte als die blauen (nicht ethanolmäßig gemeint) Bochumer.

Meggele musste auf die wichtigen Ratsche, Kalla, Kringe, Nöthe und Co verzichten und trotz der Umstellungen des Jungcoaches, die manchmal die Hamburger Spieler verwirren, wirkte der Kiezclub sortierter als die Neururerelf.

Klar, Bochum wollte von Anfang an, ließ aber defensive Ordnung und Spielwitz vermissen, dazu fehlte der Überraschungsmoment. St Pauli, als dritter Tabellenletzter im Ruhrstadion zu Gast, zeigte wie 60, dass mehr in ihnen steckt, als der letzte Platz. Die Rote Laterne für die Rotlichtkicker, wohl nicht mehr lange.

Bochum hatte Mühe und während ich in der Stauhauptstadt NRWs, dem lustigen Köln, eine Vollsperrung auf der A3 erleben durfte, stand beim VfL der Spielwitz mächtig im Stau. Hochstätter und Vilis hatten Punkte vom Trainer gefordert und Luthe reagierte pikiert. Aber spielte der VfL nun gestern für oder gegen den Trainer? Gar nix, er spielte einfach so das, was er zur Zeit kann: 4-4-2, nur diesmal mit Selim Gündüz für Gregoritsch und Malcom für Simunek. Und sonst? Ich kam erst nach 2,5 Stunden an der GO Tanke an und St Pauli führte 1-2. Ich hatte drei Tore verpasst, aber wenig zündende Ideen.

Das 0-1 war ein dummer Pass von Gündüz auf den körperlos stolpernden Lossilla, den Verhoek zur fulminanten Führung nutzte. Bochum schlägt irgendwie zurück, aber nicht der später gelb-rot gefährdete Latza macht das 1-1, sondern ein verwirrter Hamburger Abwehrspieler. Nunja, so zufällig fiel dieses 1-1, symptomatisch für Bochum in der 1. Halbzeit, wo Ordnung, Sicherheit und Struktur fehlten - wie ich auf SKY nachvollziehen konnte. Das 1-2 fiel dann auch, als ich hinter dem Block A war und ratlos kamen mir die VfL-Fans entgegen. Man quatschte zum Fiegepausentee und es drohte die 5. Saisonniederlage. Nicht gut für Bochum und seinen aktuellen Trainer.

Dann ging ich rein und sah die tolle Choreo der Ultras (die auch was zum Anpfiff gemacht hatten) und die Pyroshow, die schon beeindruckend aussah. Dann kam, was kommen musste. Links und rechts der Ostmitte pfiffen die Ultraskritiker und das sollte an einem Geburtstag ja nun was heißen.

Dass rechts von den (eher linksorientierten) Ultras sich Unmut breit machte, hat eine komplizierte Vorgeschichte, die ich hier natürlich lange aus meiner persönlichen Sicht erläutern könnte. Halte ich mich an die Fakten, so eskalierte es zwischen einer Gruppe (sonst mit dem unpolitischen Banner) mit dem großen B und den UB’s und Melting Pot Leuten, so dass hinterher der Eingang am Marathontor geschlossen werden musste und die Polizei einschritt. Was da passierte, konnte man vom Block A nicht genau erkennen. Es gab Hauereien, die ihren Ursprung vor zwei Wochen nach dem Aalenspiel ihren Ausgang nahmen und in der HoGeSa-Geschichte vorher sich schon mehrfach mal zeigten.

Bochum spielte aber auf ein 2-2 oder besser, wollte das Remis erst einmal, während in Bochum bekannte und wichtige Fangruppen aneinander gerieten. Schlimm. Meine persönliche Hoffnung, als neutraler Beobachter, dass die Gruppen miteinander reden, vaporisierte sich gestern ab 19.30 Uhr in der Ost. Das ist wirklich schlimm für Bochum, auch wenn wir als eigentlich ultraaffiner Fanclub zur Zeit sehr weit weg vom aktiven Geschehen sind. Das Streitszenario von gestern schmerzt mehr als die eine oder andere Niederlage auf dem grünen Rasen.

Das 2-2 fiel wenig später aus dem Nichts von Celozzi auf Sestak. Ein wenig Frieden für aufgeregte Bochumer Fanseelen, die eng nebeneinader leben, aber zur Zeit weit voneinander entfernt sind.

Nun, ab der 60. Minute spielte Bochum auf 3-2, aber wie so oft kann der VfL keinen echten Druck auf Gästeteams aufbauen. Es ist der 16. Spieltag und Neururer hat den Schlüssel zum Heimsieg noch immer nicht gefunden. Daher könnte man das “Neururer raus” am Ende erklären, aber passen tat das gestern auch nicht. Es war unharmonisch gestern.

Das 2-3 durch Meier fiel dann in der Szene absehbar, weil ein Hamburger sich auf rechts freigelaufen hatte, die Bochumer Abwehr links wieder offen wie ein Scheunentor (die Acht pennt) und der Jubel vor unserem Block sorgte für Wut auf den Gegner. Aber “den Feind” fanden einige Fans gestern eher in den eigenen Reihen als beim Gegner aus der Hansestadt. Traurig, traurig.

Während nun alles nach einer Wut auf den Übungsleiter aus Marl aussah, stemmte sich die VfL-Mannschaft noch gegen das drohende Unheil und der eingewechselte Weiß machte das 3-3. Redemption?

Nein, das 4-3 wäre vielleicht eine Lösung gewesen, aber das 7. Remis im 9. Heimspiel ließ die Fans ratlos und schulterzuckend  zurück, weder Meggle noch Neururer waren am Ende zufrieden. Beide lobten die Moral und am Ende wurde dann wieder viel geredet.

Leider sagt bis dato außer dem Fanrat niemand was zu den Vorgängen in Bochums Fanszene und alle wollen irgendwie wissen, was los ist und wie man für Frieden zwischen den Gruppen sagen kann. Die Anfragen, die ich dazu erhalte, sind sehr zahlreich. Per mehrheitlichem Fanclubbeschluss sind wir neutral, doch mir persönlich tut es weh, wie eine kleine, aber gute Szene vor meinen Augen zerbröselt. Das ist viel Arbeit für Moppel und Ralle sowie für uns alle. Der 112 Grund, den VfL zu lieben, wäre eine Frieden zum Jahreswechseln, leider zur Zeit ein frommer Wunsch.

Denn kein neuer Trainer wird uns 2015 diesen Frieden wiederbringen, der (nicht erst gestern) verloren ging. Da bleibt der Stiefel leer. Leider.

Tom, CB  Neutral-Commando’93

P.S.: Gruß an die vier Treuen, mit denen man wirklich qualifiziert über Gott, Fußball und die Welt diskutieren kann.Und an den Emmericher, den vollsten!

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