An einem warmen Sommerabend

Der 2-1 Testspielsieg des VfL Bochum gegen den BVB - im westfälischen Derby - ist rein formal “nur” eine gelungene Generalprobe für das Spiel gegen den ostwestfälischen Ligakonkurrenten aus Paderborn. Bochum siegte zum 8. Mal im 10. Vorbereitungsspiel 2015 - und wie im Vorjahr nach dem 3-1 gegen Wolfsburg - wächst mal wieder die brechtigte Hoffnung auf einen guten Saisonstart - oder gar auf eine gute Saison. Es wäre die erste anständige seit 2008. Ein Traum von vielen Bochumern.
Der VfL Bochum ist aber zZ so gut drauf und die Gegner aus Paderborn, Duisburg und Freiburg werden registrieren, diese Bochumer sind ernst zu nehmen, Trainer Verbeek ist kein Dampfplauderer, eher ein Trainer, der viel üben und trainieren lässt mit Erfolg, sorry Herr Droll. Lange Bälle nach vorne, das mag der Holländer nicht; er will Kurzpassspiel, Dominanz und Konsequenz, kein Trallafitti.
Emotional war der Sieg gestern richtig gut für die geschundene VfL-Seele. 28.000 entspannte Zeugen (bis auf die Gruppen, die auf dem Kirmesplatz aneinandergerieten!) im ausverkauften Haus bei strahlendem Sonneschein sahen natürlich ein (teueres) BVB-Team, was recht schnell optisch das Geschehen auf dem Rasen dominierte. Bochum merkte man schon den Respekt vor dem großen Namen aus dem Osten von Langendreer an, Dortmunds Dreizack Abumeyang, Reus, Kagawa spielten, wenn es schnell ging, schon gewitzt zusammen, ohne jedoch “den Punch” zu setzen.
Gündogan, der alle Bochumer Jugendteams durchlaufen hatte, wirbelte gestern nicht in Barcelona, sondern mal wieder an der Castroper, auch wenn er es gestern recht selten tat. Sein  Lattenschuß war eine Großchance, die anderen vereitelte ein runderneuter Luthe zum teil bravorös.
Bochum blieb bei seinem Kurzpasspiel, doch in der ersten Halbzeit fingen die Borussen die Pässe oft ab, daher sah es zwischen der 10. und 35. Minute so aus, als ob der Bundesligist in Führung gehen könnte. Der Holländer der Perthel ersetzte hatte eine gute defensive Partie gespielt, verzettelte sich aber manchmal bei Vorstößen.
So warteten die über 10.000 Dormunder (ohne Ultras!) auf das 0-1, doch dann konterte Bochum und Mark Terrazino erzielte in der 32. Minute das überraschende 1-0 für den Zweitligisten, der letztes Jahr 11. wurde. Das können wir besser, dachten viele in der Sommerpause - und Verbeek und Hochstädter arbeiten dran.
Der BVB sah sich nun einem VfL gegenüber, der sicherer wurde und seine Chancen nach vorne nun konsequenter suchte, während Dortmund stark war, wenn es schnell spielte,
schnell nach Ballgewinn umschaltete und den Weg zu Luhte suchte und in diesem seinen Meister fand.
In der 2. Halbzeit strahlten die Bochumer Fans wie die Sonne an der Castroper, tranken Fiege und bekamen Lust auf mehr.
Es kamen Riemen und Perthel, dazu immer mehr Sicherheit und der BVB hatte einfach vor dem Tor keinen Killer, keinen Lewandowski, obwohl kein Borusse wohl den Immobile vermisste. Nein die Euroleaguequalifikanten kamen mit den Blauen immer schlechter klar, Bochums Angriffe wurden häufiger und als Hogland im zweiten Versuch einen Traum-
schuß zum 2-0 verwandelte, da sang die OST (ebenfalls ohne Ultras) laut und lustig, während schwarz-Gelb schwieg. So hatten sich das viele Bochumer gewünscht, endlich mal
den ahnungslosen Arbeitskollegen mit der geschmacklosen BVB-Tasse zurückgeben,was sein joviales Lächeln anrichtet.
Ein Traum, wenn man wie einst 2003 (!) 3-0 gewonnen hätte, aber es war nicht verdient. Denn obwohl Dortmund 6 Mal wechselte, die Schwarz-Gelben hatten immer noch ihre Chancen, die nur eben Riemann vereitelte. Während Bürki manchmal unsicher wirkte, war Bochum auf der Torwartposition sehr stark am Freitag. Die Sonne blendente uns im Block A,
aber nicht die Nachfolger von Scholz, Zumdick, Mager, Wessels und Van Duijnhoven.
Das 2-1 fiel dann in der 79. Minute und war längst verdient, genauso wie Bochum sich die Führung verdient hatte in der 2. Halbzeit. Dortmund fehlte nicht nur der Knipser, sie trafen viele falsche Entscheidungen nach der Balleroberung, da hat Tuchel nun noch 4 Wochen dran zu arbeiten.
Der Bochumer Trainer muss nicht nur im Tor (Luthe oder Riemann), in der IV (Fabian oder Simunek), beim Kaptain (Fabian, Losilla oder Simunek) und bei der Gregoritschfrage die richtigen Antworten finden.
Um 19.45 Uhr waren viele Urbochumer glücklich, doch diese Euphorie ist für die kommende Woche ambivalent: Der Trainer muss sie bis Sonntag in Paderborn hochhalten, aber er
muss auch mahnen, dass die Auswörtsspiele bei den Bundesligaabsteigern anders werden als das Testspiel gegen den 7. der Bundesliga.
Dass die Fans “die Nummer eins im Pott” feierten, sei ihnen geönnt. Dass sie “So gehen die Bochumer” sangen, ist der Diasporasituation geschuldet. Dass wir alle total glücklich waren lag an der leichten Derbyatmosphäre an einem Freitagabend um Acht, bei Sonne, Bier, Quätschchen und Currywurst. Das ist doch was wir wollen: Einen Gegner, den wir nicht mögen mit tausenden Kommerztrotteln und ein paar echten Borussen, dazu gute Zeit, Freunde treffen, ein neues Trikot anziehen, singen, gewinnen und dann abfeiern. Das gab es gestern und das macht lust auf mehr.
Leute, holt Euch Trikot, Dauerkarte und freut Euch auf die neue Saison, den Euphorie verfliegt so schnell, aber vielleicht war das gestern auch der Beginn von was großem: Bochum wird zweiter hinter Leipzig und geht hoch wie Fürth, Braunschweig, Darmstadt oder Paderborn. Möglich ist alles.
Fakt ist, wir haben unsere Heimstärke wieder, wir haben unsere Stolz nie verloren und vielleicht haben wir bald wieder unsere Manschaft. Okay, das hoffe ich jedes Jahr, okay, hättet ihr mich nach dem 1-5 in Frankfurt gefragt, okay, ich/wir kommen aus der 6-8 Jahres Wüste, aber ich/wir haben nie aufgehört zu hoffen und zu träumen.
Ich glaube hinter RB Leipzig sind 6-7 Teams wie Nürnberg, Freiburg, Paderborn, Lautern, Düsseldorf und eben auch Bochum, die hoffen und ich bin wegen der Abwehr und der wenigen Kohle kein Träumer.
Aber gestern war so schön, dass ich mal wie hoffe, gut zu starten und dann mal zu sehen. Vielleicht sind unsere neuen Commandotrikots ja Glücksbringer und der knorrige Holländer führt uns mit einem gewieften Sportdirektor zum Licht der Liga. Gestern haben wir schon mal reingeschaut, danke Jungs.
Tom, CB’93

Kommentarfunktion ist deaktiviert