Wenn die Zeit aus Blei zu sein scheint

Es ist nicht so richtig Herbst, nicht ganz der panische deutsche Herbst 1977, es ist nicht mal richtig kalt an der Castroper Strasse. Dafür ist Bochum in der gewohnten Herbstkrise (”Herbstdepression”, 7 Punkte aus 9 Spielen, ein Abstiegsplatz für die Spieltage 6.-15.!). Es scheint, als müsse das Fußballteam des VfL quasi die graue Folie liefern, um sich leicht malade zu fühlen, wie man sich uU fühlt, wenn die Blätter fallen. Die Sonne wird weniger, wenn eigentlich man am liebsten zu Hause mit ‘nem Tee vor dem Fernseher sitzt und sich anguckt, wie schrecklich die Welt sein kann. Und zuhause ist alles warm, muckelig und vertraut, doch die Gewissheiten verabschieben sich.
Dass den Fußball nach dem FIFA- und DFB-Skandal erst das Sommermärchen 2006, den DFB und nun auch den Kaiser erfassten, haben die Bochumer Fans als ungläubiges, fernes Staunen erfahren. Gut, selber hat der VfL mit dem Thema Nationalmannschaft trotz Tenhagen, Zumdick und Wosz traditionell eher wenig zu tun, aber komisch war es schon, als die Zentrale in Frankfurt über Nacht zu einer erst zu einer dubiosen und später zerfallenden Vereinigung zu werden schien.
Aber als dann die Länderspielpause nicht mehr das gewohnte “Boah ist dat langweilig!” oder “ker wat freu ich mich auf den VfL!” enthielt, wurde das Gemüt der Fans mit giftigen Pfeilen beschossen. Terror in Paris, Fastterror und Spielabsage in Hannover, der Fußball hielt den Atem an und auch Freitag in Bochum gegen Union Berlin wird der eine oder andere mulmige Gefühle haben.
Es werden wohl nur um die 15.000 Fans werden, die 7 Punkte in 9 Spielen haben schon ohne weltpolitisches Geklimper ihre Spuren hinterlassen. Dass es immer noch nur 4 Punkte nach oben sind, haben eine überflüssige Trainerdiskussion nicht aufkommen lassen.
Man kann gegen die Köpenicker über Benny Köhlers Krebsgesundung reden, die bei der 2-1 Niederlage an der Alten Försterei im Februar ein Thema war. Man kann über Simon Terodde reden, den Ex-Unioner, der 10 mal für Bochum netzte, reden. Aber all diese Themen werden die aktuellen Debatten um Sicherheit nur phasenweise übertünchen. Eigentlich hat der VfL ja in diesem Punkt auch zu wenig Strahlkraft, dass es sich rational auszumahlen, was es bedeutete, wenn an so vertrauten Orten wie dem Ruhrstadion Gefahr lauerte.
Die normale Gefahr ist, dass Bochum 1-1 spielt und ohne Selbstvertrauen nach Braunschweig führe. Die normale Gefahr ist, dass nun die Pessimisten und Trainermeckerer aus ihren Löchern kommen und bei den Journalisten ein offenes Ohr finden. Aber ich will der Presse hier keine Schuld geben und auch die schrecklichen Ereignisse von Paris würden bei einer idealen Presse nicht besser, sie ist so wie unsere Wlet mit Fehlern behaftet.
Die Minikrise des VfL (noch ist es eine!) hat verschiedene Gründe: Der Gegner weiß mittlerweile, was der VfL tut. Union Spieler gehen laut Kicker davon aus, eher zu reagieren als zu agieren. Man stellt sich auf Bochum ein. Terrazzino; Bulut und Haberer wirken leicht überspielt, DIE Führungsfigur (Bastinans, Celozzi könnten es sein) ist in dieser Phase abgetaucht und es fehlt ein wenig Abschlussglück, die letzte Galligkeit und Frische und auch mal ein Schiri, der für uns ist. Aber das kann ja werden. Am besten wird es Freitag was.

Wer was dagegen hat, ist Bochums alter U19-Trainer und jetziger Berliner Chefcoach Sascha Lewandowski. Der kennt Bochum sicher gut und wird auch ahnen, was Verbeek in seinem Geheimtraining übt. Wichtig wird sein, wie die Spieler ihre Köpfe frei gekriegt haben, die Frische wiederfinden und da hatte der Schrecken der letzten Tage ein klein wenig Gutes. Vieles wird da unwichtig.

Leider glaub ich trotzdem nur an ein 2-2 oder ein typisches 1-1. Dafür gewinnen wir in Braunschweig. Die Hoffnung stirbt nie.

Statistik laut VfL4u:
Freitag, 20.11.15, 18:30 Uhr, rewirpowerSTADION

Schiedsrichter: Benjamin Cortus (Röthenbach, pfiff den VfL zuletzt beim 4:1 gegen Heidenheim in der Vorsaison)
Assistenten: Daniel Schlager (Rastatt), Steffen Mix (Abtswind)
4. Offizieller: Mark Borsch (Mönchengladbach)

Die letzten Spiele gegen U. Berlin: VfL - FCU 1:1 (25.08.14; Terodde; Brandy), FCU - VfL 2:1 (07.02.15; Kobylanski, Kreilach; Gündüz)

Voraussichtliche Aufstellungen:
VfL: Luthe - Perthel, Bastians, Fabian, Celozzi - Mlapa (Terrazzino), Losilla, Haberer (Eisfeld), Hoogland (Simunek), Bulut - Terodde
FCU: Haas - Parensen, Leistner, Puncec - Thiel, Fürstner, Kreilach, Zejnullahu (Trimmel), Kessel - Wood, Skrzybsky (Brandy)

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