Schweine on Tour

Das grosse Buch des Lebens gefüllt mit den Ratschlägen weiser alter Männer (oder Madame Curie, Verona F. sowie Maria Stuart) kennt für jede noch so schwierige Situation eine angemessene Spruchweisheit. Dietz würde nach der erneuten Enttäuschung am Montag gegen die abstiegsbedrohten Waldhöfer-Holzhacker-Buben wohl einen Satz von John F. Kennedy zitieren, der ein hehrer Auspruch eines toten demokratischen Patrioten ist: "Don't ask what your country can do for you but what you can do for your country." 

Nun, wir haben Ende 2001, nicht 1961 und Bochum ist kaum mit dem Amerika der sechziger Jahre vergleichbar, hier herrscht eher Kulturpessimismus, Sattheit und Zynismus anstatt Lokalpatriotismus. Und Beispiele wie Schalke zeigen, 'wie dumm manchmal ein Stolz wirken kann, bei dem keiner so recht weiß, worauf er sich auch immer gründen mag'. 

Und vor allem, lieber Bernhard Dietz, Du hast es ja nicht wirlich gesagt, aber hättest Du, rein fiktiv, dann würden viele zurecht sagen, was sollen wir passiv beteiligte denn tun, um die Psyche und im Falle der Abwehr, das Können einzelner Spieler aufzupäppeln so dass es reicht zum Aufsteig? Nein, lieber Enatz, das ist zunächst mal dicke die Aufgabe des Trainers. 

Und wenn viele, vermeintlich gute Spieler neben der Kette hängen, fällt das auf ihn, den Übungsleiter (und den ewigen Co-Trainer Funny) zurück, auch wenn manche ihm,Bernhard demMilden, in Bochum schon vor zwei Jahren ein Denkmal bauen wollten. Nun, wir vom COMMANDO nicht, aber wir geben ihm auch jetzt nicht die ganze Schuld am Mittelmass oder rufen gegen ihn.

Aber, und das denke ich persönlich, es ist auch wenig hilfreich, was viele Fans - oder nennen wir sie besser 'zahlende Zuschauer' -  tun - Meckern bis die Schwarte kracht, vor allem um sich den Wochenfrust bei Arbeit und Frau von der Seele zu schimpfen. Und manche sind halt einfach nur Querulanten. 

Beim VfL kann jeder motzen, lästern und besserwissen und wer es am Lautesten tut - ist der coolste. Man sollte ihn mit BVB-Aktien unter 500 Stück bestrafen. Es ist natürlich auch so, dass unsere 'Sahnemannschaft' seit 1997 wieder ein sehr sehr ergiebiges (und leichtes) Ziel ist und jeder, der über den VfL meckert, irgendwann einmal verdammt recht haben wird und dann sagen kann: "Siehste, hab ich doch gleich gesagt. Die taugen nix!" Dann gibt man noch irgendeinein Internet-Vote ab, kauft sich ein neues, teures Sweat-Shirt und ist die geilste Sau der Welt inklusive Premiere-World-Dekoder zu hause.

Man diskutiert über Bierhoff, Real Madrid, dass sich Figo und Zidane blockieren und guckt ManU und lacht sich über Toplak, Rouven Schröder und Frank Fahrenhorst herrlich tot. Fussball-Deluxe. 

Ist das das, was der VfL Bochum wirklich verdient? Eine neue Generation der Event-Gourmets? Die Yuppies der zweiten Generation auf der Fussek-Schiene, die sich - zugegebenermassen in Dortmund und Schalke wohler fühlen als im mausgrauen Bochum ohne echte Zaubermaus (sorry, Darek, du bist es imMoment nicht!). 

Teils, teils. Nach der erste Hälfte gegen 0-1-Alptraum-Mannheim zu pfeiffen war hart, ausser ANTI-Gesängen gibt es nirgendwo im Stadion (30 ULTRAS mal ausgenommen) etwas, was an einem lauwarmen Montagabend positiv den dreissig bis vierzig Mannheimern hätte entgegengebrüllt werden können. Singen tut man höchstens zwanzig Sekunden und dann kommt auch prompt der Fehlpass oder das über-den-Ball-Schlagen eines Abwehrspielers, über das man sich herrlich allwissend aufregen kann. 

Der Verein hat sich in bezug auf seine Zuschauer selbst zur Handlungsunfähigkeit degradiert und weit von deren Realität entfernt - es kommen nicht mal mehr die ewiggleichen Parolen. 

Hatte der VfL Bochum 1996 ein Toppi-Hoch, so liegen die Offiziellen dieses Vereins ständig im "latenten, stillen Meinungsclinch" mit den aufmüpfigen Fans. Man hofiert ein paar Fanclubs (mitlerweile auch angefressen) und der Rest der Fans bleibt Alti, Enatz und Co. ein Rätsel, das man misstrauisch beäugt und im Zweifel negativ bewertet oder zumindest nix dafür tut - der Fan das unbekannte Wesen. Hatte der grosse Mann des VFL 1999 den aufsässigen Fans die Leviten gelesen, ehrliche Arbeit von ihnen (!!!) gefordert und sie abgestraft und die Stimmung im bis dato guten Block A vermiesst, griff man immer wieder zum Mittel der Fanschelte und erntete schüttelnde Köpfe der Zahlenden.

Viele drehten sich einfach um und gingen für immer oder länger und die, die blieben, werden mehr und mehr zu Motzmaschinen, Rumkeifern und Sadomasochisten. Und der Verein für Leibesübungen und seine Öffentlichkeitsarbeit blieben noch mehr als die Leistungen der Mannschaft hinter den Erwartungen der Zuschauer zurück. Mögen es gegen Mannheim 10.077 gewesen sein (vermutlich eher 8.000!), so fahren Freitag vielleicht 120 nach Schweinfurt, Mainfranken kann so schön sein und da wollen ja auch alle irgendwie mal hin. Okay, das waren 1989 in Nürnberg auch nicht viel mehr, aber die haben sich damals zumindest nicht vorher über die Mannschaft kaputtgelacht. Und das schmerzt mich am meisten - man lacht das eigene Team aus, verfällt in totale Lethargie. hinfahren okay, zu hause bleiben noch besser, am besten am Wochenende den Verein vergessen. 

Und dann kommt der brave Enatz am Dienstag in der Presse und regt sich wie im Herbst 1999 (Vorstand-raus-Doppelhalter in Offenbach) über die "überkritischen" Fans auf. Szene Fanclinch die 18.. Gegen die biederen Waldhöfer hat seine Mannschaft zumindest gekämpft und daher sollen die Fans nicht singen "Wir wollen euch kämpfen sehen." Solcherlei oberlehrerhafte Erziehung von Seiten des Schmieds wird von den akademisierten Fans mit Zynismus und Ironie abgestraft, die sich allerdings selbst in den Schwanz beisst. Man überbietet sich im Lästern, die Spieler werden auch ohne Peter P. bei jeder Bemerkung von den Rängen noch unsicherer und die Stimmung der gesamten Veranstaltung kippt ins Absurde. Redakteure haben kaum Lust darüber zu schreiben, Fans bleiben auf der Couch und die Spieler fragen sich, ob es sich lohnt, für diesen Verein in die ERSTE BUNDESLIGA aufzusteigen. Nach Reutlingen und Schweinfurt zu fahren, ist dann nur für Leute wie mich ein Vergnügen, dessen Kreisligaverein drei Tabellenletzte kreiert.

Es ist eine Spirale, die alle nach unten zieht. Die nächste JHV wird zeigen, ob der Rex Solitus die lästigen, meckernden Mitglieder endlich los wird und allen die Lust am VfL so vermiest, dass seine eigene Stimmabgabe reicht, um sich selbst zum Präsidenten auf Lebenszeit zu küren. Verbeamte Präsidenten-Träume in der Stadt Bochum. Stadtfilz.

Eins ist klar, diese 'Spirale der Unlust' kann den Verein in die Bedeutungslosigkeit von Schweinfurt oder Saarbrücken ziehen. Der VfL ist Achter, hat in keinem der zehn Pflichtspiele 90 Minuten überzeugt und ist zunächst Zweitligamittelmass, in der Abwehr deutlich darunter, nur van Duijnhoven sticht bis dato hervor, Christiansen und Buckley mit Abstrichen akzeptabel.

Bernhard Dietz ist der Trainer, für Taktik, Zweikampfverhalten, Kondition und Psyche der Spieler zuständig. Heinz Knüwe, der neue Manager, für neue grosse (?) Sponsoren, die Pressesprecherin für ihre 'medienwirksame' Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die Spieler für Tore und wenige Gegentore und wir, die Fans, für die positive Stimmung bei Heimspielen und der Präsi, na, der ist per Definition für das Einsetzen aller, ausser den Fans natürlich, zuständig. Im Moment bringen fast alle keine ausreichende Leistung zustande und die Belohnung ist dafür der NICHTAUFSTIEG, und das wäre der erste.

So, und gewinnt man nun bei der billigen-Jakobtruppe Schweinfurt (ETAT 9,5 Millionen?) im Willly-Sachs-Stadion, die nur mit Glück an Eintracht Trier vorbei aufstieg und haut Toppis Lebenstraum Saarbrücken wech (meinetwegen auch mit seinem Sohn Dino), dann können Enatz und seine Bubis gegen Frankfurt und  Bielefeld ruhig mal richtig gut Fussball spielen (und siegen!) und dann gibt es zumindest mal wieder annehmbare Stimmung von den Fans. Wir müssen uns nicht lieben, aber zusammen tun müssen wir es irgendwie schon. 

Ich weiss zwar noch nicht wie, aber das weiss mein Freund George Walker auch noch nicht.

Tip: 1-3 für Bochum, sorry liebe Pigs on tour.  

Tom, COMMANDO'93

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