Ich wachte auf und war ein Schalker

Das war ein Traum. Eines Morgens als meine drei Wecker mich aus dem Schlaf warfen, war einiges anders als sonst. Nicht wirklich alles, aber die wirklich wichtigen Dinge waren irgendwie fundamental verändert. Im Prinzip stellte sich meine kleine Ruhrpott-Welt wie immer dar, die lauten Straßen, die dreckigen Ecken, die Kioske an der Ecke, die Spielhallen und die Dönergrille der Atatürkallee reihten sich gewohnt aneinander wie Perlen an der Schnur.  Ein betrunkener Zottel an der Haltstelle erzählte, er sei ein großer Kämpfer- ihm fehlten die Zähne, fast alle bis auf drei. Er hatte ein Schalke-1997-UEFA-Cup-Sieger-T-Shirt an, doch statt ihn wie immer auszulachen, empfand ich plötzlich genauso viel Verbundenheit zu ihm wie sonst zu den etwas gehandicapten Regenbogenfarben-Trainingsjacken-Trägern. Ich war sehr  verwirrt und ging weiter. Dann kaufte ich mir die BILD, schlug sie auf, mußte nicht mehr als erstes Günna lesen, sondern überflog sofort den SO4-Bericht über Mpenzas Liebesaffären mit Miss Belgien 19XY- was war denn bloß los mit mir? Warum fand ich Huub Stevens, den Holländer plötzlich lustig, war ich krank? Schien mir Radek Latal und Jiri Nemec plötzlich nicht mehr abgrundtief häßlich und Yvees Eigenrauch Kiefer akzeptabel? Olaf Thon war nicht mehr einfach blöd, sondern menschlich. Gut, dann mußte ich mich an Andy "Heulsuse" Möller wagen und den kann man ja wohl nicht mögen. Doch, es funktionierte auch, o Gott, wenn meine Freunde merken, daß ich ein Herz für Schalke habe, war ich sozial erledigt. Also, nur nix anmerken lassen, keep smiling. Hä, hä! Ich ging zur Bank, mein Konto war leerer als sonst, meine Mutter hatte mich auch noch nicht angerufen. Okay, ich kam schon klar, versuchte "Der Tag an dem Conny Kramer starb" zu summen, aber die Melodie schien mir unbekannt. Beim nächsten Spiegel im Kaufhaus, bemerkte ich wie gelb meine Zähne schimmerten, Perlweiß könnte helfen, dachte ich und erschrak bei dem Gedanken. Im nächsten Straßencafe wollte ich den Streß abbauen und bestellte, ein Pils. Oh Gott, wieso keinen Cafe wie sonst um Elf? Außerdem hatte ich noch nichts Produktives geleistet, arbeiten erschien mir weit weg und fremd. Meine gefährliche Mutation schien sich fortzusetzen, wie konnte ich sie nur stoppen?  Ich bekam Panik, Schweiß rann meine Stirn runter. Plötzlich hatte ich diese Schwarz-Weiß-Bilder im Kopf, "1935, Nürnberg gegen Schalke, Duell der Altmeister und an die Meisterschaft 1958 3-0 gegen den HSV", dachte ich weiter und zuckte zusammen. "Wer ist eigentlich Ötte Tibulski?" fragte ich laut und die elegante Frau am Nebentisch schaute mich von oben herab an und drehte sich weg. Ich rief meinen Freund an, quasselte vom Länderspiel am Mittwoch und und dann rutschte es raus, ich sagte, "Schade das Ebbe Sand nicht zeigen konnte, was er drauf hat". Schweigen am anderen Ende,"Wieso, find'ste die Schalker Sau, etwa gut???" fragte er. "Ne, nur wegen des Fußballs, der trifft doch immer. Ich mein, der Mpenza und der Asamoha sind echt gute Stürmer, die würden dem VfL schon helfen mit seinem schwachen Sturm." "Ja klar", sagte er, "aber es sind Schalker, das ist Grund genug sie abzulehnen". "Du fandst schon immer Dortmund gut", sagte ich und merkte zum wiederholten Mal, das ich nicht mehr Herr meiner Sinne war, irgendwie fühlte ich mich permament unbeherrscht. Als mich einer auf der Kortumstraße aus Versehen anrempelte, rastete ich aus, bekam einen hochroten Kopf und nannte ihn einen "Wichser" und versuchte ihm eine zu langen, fiel dabei fast hin und roch dabei meine eigene Fahne zu Mittag. Oh, Mann, so konnte es nicht weitergehen, was würde erst am Montag abend sein, würde ich bei Nürnbergs Toren Torjubel veranstalten und wenn meine Freundin davon erfährt, was passiert dann? In dem Moment rief sie an und fragte, "wo ich denn sei, wir hätten uns doch diesmal in der Mittagspause beim Italiener verabredet. " "Ker' sagte ich, schreib mir nix vor" und legte auf. Das war mein größter Fehler, die ist erst mal sauer. Egal, Hauptsache..."NEIN, oh, nein, ich will kein Schalker mehr sein", dachte ich immer wieder, doch was sollte ich tun, zum leeren Ruhrstadion laufen, nach Faghera ein Eis essen, im Fanshop Fantastico die blaue Bochum-Jacke kaufen, den Manager anrufen??? Dann kam es wie ein Schauer über mich: Nicht der Kuhirte, nicht das Bergbaumuseum, nicht  das Planetarium, nur OTTO Wüst konnte mir helfen. Ich lief so schnell ich konnte im Dauerlauf zur Brückstraße, angekommen an dem schlichten schwarzen Bau, vorbei an den Kravatten und servilen Anzügen, hinein in das Geschäft.  "Ottokar, bitte", rief ich, "ICH WILL KEIN SCHALKER SEIN, auch wenn ich ewig ohne Pokale und Tradition sein werde. Bitte, ich verzichte auch auf Kohle- und Bergbaumythos sowie Glück-auf-Geseiere, ich verzichte auf Titel aus anno Domini, auf Eichberg-Stories und auf den neuen Superdome im Berger Feld!". "Mein lieber Sohn", sagte WÜST, "das mußt Du auch tun, denn WIR in BOCHUM sind BOCHUMER und sonst nichts. Auch wenn das nicht immer leicht ist", dabei hob er mahnend den Finger und legte den Arm um mich. Ich war geheilt. "Danke", ich werde auch nie wieder meckern oder THC-Stangen inhalieren oder saure Drops lutschen. 

Alles vorbei, daher sag' ich nur : 18.00 Dorfbrunnen und Hauptbahnhof, machen wir eine Reise mit der 302 zum Musiktheater.

"Der Tag, an dem Ernst Kuzorra... und alle Bochumer sangen, das war ein schöner Tag, als in Schalke eine Welt zerbrach,... brennende Schalker Fahnen....".  Ypiie, ich kann es noch... 

Tom, COMMANDO'93 ("...die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht!")

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