Alleinegoer

Eine Spielpause im Ligabetrieb gibt Zeit und Muße zum Nachdenken über die stimmungsmäßige (die Atmosphäre ! ), sportliche und wirtschaftliche Lage im Verein, an dem viele immer noch irgendwie hängen. Man könnte sich es einfach machen, sich umdrehen, Schalke und Dortmund in deren Konsumtempel folgen, oder vielleicht ungleich sympathischer und ehrlicher, "einfach Bayern-Fan werden" und damit den Erfolg automatisch pachten. Leider sind viele in dieser Stadt geborene (oder später heimisch gewordene) nur noch zynisch, total enttäuscht, lethargisch, passiv oder haben sich bereits längst abgewandt. Manche blieben zu Hause für immer. Andere werden folgen. 10.000 machen es noch mit.

Ätzende Kritik, Dauergenörgel, anstatt Support und Anfeuerung. Das hat Gründe die über Premiere World, TV-Übersättigung und Kommerzscheisse hinausgehen. Man verzeiht den Unserigen nicht mehr so viel, auch Bernhard Dietz, Thomas Reis und Darius Wosz werden nach bereits zehn bis acht Wochen total verdammt, wozu früher nicht mal zwei oder drei supermagere Jahre [Abstiegskampf in der 1.Liga!!!] gereicht hätten. 

Gerade mal um die 200 Aufrechte waren Freitag live beim Team des VfL in Baden-Würtemberg und sie werden es zumindest z.T. bereut haben wie Peschel seinen grandiosen Wechsel nach Duisburg. Motto: "Hätte ich das mal weggelassen, das war Mist." Und viele daheimgebliebene dauerpessimistische Couchpotatoes wußten es im Stile eines kleinen Paule Breitner "Das gibt eh nix mit dem VfL!". Leider hatten sie recht, was bei Auswärtsspielen des VfL generell nichts unwahrscheinliches ist, nämlich eine Pleite der Bochumer zu kalkulieren. Nur 30 Minuten guter Fußball in einem laut DSF "hochklassigen Zweitliga-Spiel" reichen halt nicht und selbst "unser aller Präsi" sieht eine gefährliche Lage und meint damit nicht die aktuelle politische, sondern die bei "seinem" Verein. Und bei diesem Possesivpronomen "sein" macht der Machtmensch jetzt vermutlich richtig ernst. Die längst überfällige Satzungänderung bekommt einen komischen Beigeschmack. Denn selbst die königstreuen Fans, Paladine und alte Weggefährten trauen ihrem Präsi nicht mehr so recht über den Weg, wenn es darum geht, die Haus-Macht zu verteilen und sehen die neuen,frischen Gesichter im Verein und die da noch in einem Aufsichtsrat zu installieren sind, als "Abnicker", mit denen sich ein Alleinherrscher gerne umgibt, weil sie bequem sind (zumindest bequemer als andere). Nicken die nicht mehr ab oder rufen vorher zum Abklären nicht mehr den Multi an, findet sich die einst so geliebte, fleissige Person ganz schnell bei Querulanten, Vereinsausgestossenen oder der 'bösen' Opposition wieder. 

Liebesentzug von einem Mann, der von nur noch sehr wenigen geliebt wird. Im Umfeld des VfL gehen viele alte Weggefährten auf Distanz zu einem Potentaten, der sich selbst als einzig mögliche Alternative zu sich selbst sieht (und gerne mit Weggehen droht, wenn etwas gegen seinen Querkopf läuft). Hinter vorgehaltener Hand flüstern ehemalige Getreue, die Opposition habe doch im Prinzip recht, wenn sie penetrant seinen Kopf fordere. Doch auch von ihnen (den heimlichen Gegnern) kennt keiner den "neuen" Kandidaten, den es (so wiederholt man gebetsmühlenartig) mal wieder nicht zu geben scheint. Aber mancher munkelt auch, es gäbe Alternativen. Wer weiß das schon? So wird der Mann, der sich zu sich selbst keine Alternative vorstellen kann (und jede absägen würde, wenn es sie gäbe), die "Teilrenovierung" nutzen, um seine Macht mit neuen, loyalen Leuten zu zementieren. Wie auch immer die Mitglieder entscheiden, sie werden den "schwarzen Peter", wenn sie, entweder "die Modernisierung" aufhalten oder im Prinzip den Kurs bestätigen, in ihrer Wahlhand halten. Ein neues Aufsichtsratmitglied muß am Ältestenrat (und der Wahlvorstand um Otto, Berne, Chrisse) vorbei, der (der Ältestenrat!) bislang nur schaffte, notorious Wolle aus dem Verein zu entfernen oder sich aufsässige Leute aus dem Verein fernzuhalten. Es gab beim VfL nie Mitgliederwerbung. Hört sich nicht nach der Neuerfindung der Basisdemokratie an. Der Effekt wird sein, dass immer mehr Leute passiv, ironisch und lustlos ihrem Verein folgen, pendelnd zwischen 1.und 2. Liga (oder schlechter?) und nur noch sich in ätzender Kritik übertreffen und ihre eigene Mannschaft in Bestätigung ihrer Befürchtungen "auslachen", wenn sie sich wie in Hannover oder Reutlingen blamiert und sich kaum noch freuen können, wenn das Team endlich wieder siegt (zu niedrig?). Eigengewächse? "Na und? SIND eh MIES!". Ein bodenständiger Trainer? Egal, nach zwei Niederlagen wetzen wir das Messer. Darek wieder da? "Der Arsch!". Keine Liebe mehr für ein Projekt, das immer mehr zu einem eigenwilligen Experiment eines Präsidenten zu werden scheint, der eine sehr einsam machende Art der Liebe entdeckt hat. Alleinegoer. Man hat Angst, er liebt diesen Verein zu Tode. Leg dich bitte nicht drauf.

Tot ist er aber noch lange nicht. Der Motor stottert nur bedenklich. Wie zu Wüst Zeiten wird auf Jugend gesetzt, das Jugendinternat an der Hiltroper Straße wird gemäß den Auflagen des DFB errichtet und mit Michael Bemben, Paul Freier, Björn  Joppe, Sesi, Frank Fahrenhorst, Rouven Schröder und auch dem umstrittenen Delron Buckley spielt der VfL Bochum mit mehr Eigengewächsen als viele andere Proficlubs und geht nicht den Weg von 'Balkan' Cottbus oder 'Cuba' Bonn. Aber, so muss sich der Trainer fragen lassen, haben diese Spieler das Format 'Bundesliga', bei der Abwehr scheint das mehr als fraglich, zumindest ohne den beliebten Haudegen Thomas Reis. Es ist natürlich traurig, dass dieser Nachwuchsweg in Deutschland allgemein zu sterben scheint (Ausnahme Freiburg) und man sich wie Dortmund lieber 4 Brasilianer holt ("Brasilia Dortmund" läuft an der Börse schlecht!!!), wenn es nicht läuft jedesmal einen Neuen vom Zuckerhut. Ist das der Weg und wundert man sich dann noch über die Schwäche eines Nationalteams, dass nur noch aus Auswechselspielern besteht und gegen die 'verhassten' mittelmäßigen Engländer miserabel 1-5 vergeigt. Aber andererseits, was hilft Nachwuchsarbeit, wenn man Ili für 5-8 Mio ziehen lassen muß, damit Bayer ihn dereinst für 35-50 Mio vertickt? Da hat Calli den Hilpertnachfolger Knüwe (oder Hilpert selbst?) gleich gut rasiert und seinen gewieften Präsi gleich mit. "Mehr war nicht drin!", gilt das denn bald für den ganzen Verein? Hilpic wird zumindest noch entlohnt.  

Die Mannschaft indes scheint zuviele (hochbezahlte?) Mitläufer zu haben, Wosz ist trotz einem neuen Trabbi von Block A/ Schwedter Jungs noch nicht der Chef, Berchthold, Dickhaut, Lust oder Mandreko auch nicht. Wer ist unser neuer Ili? Slavo noch lange nicht! Sesi und Reis müssen erst fit werden, um die Defensive zu stärken, von Colding und Toplak kommt nach vorne fast garnichts. Spiel aus der Abwehr heraus? Fehlanzeige! 

Die Abwehr um Schröder und Fahrenhorst schwimmt auch deshalb, weil das Mittelfeld abtaucht, zu viele "Mit-nebenher-läufer" hat, wenn Druck aufkommt. Umgekehrt schaffen die defensiven Leute überhaupt nicht von hinten ein Spiel aufzuziehen, was dann wie in Hannover schlimm aussieht. Treffen Leute wie Buckley oder Christiansen nicht mehr, wird das Team wie in Reutlingen brutal ausgekontert. 

Es wird ein spannender Oktober und nicht nur das erste Montagsspiel gegen Mannheim [15.10, 20.15] live auf DSF muss gewonnen werden, es müssen auch die richtigen Weichen gestellt werden für einen "goldenen" Oktober.

Tom, COMMANDO'93

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