Ost-Berlin, Leverkusen und Bochum, die Stationen einer Fußball-Reise

Nachtrag vom letzten sonnigen Ost-Berlin-Wochenende, außerhalb von Köpenick:

Berlin-Hohenschönhausen, der ehemalige Ort, wo Stasi-Mitarbeiter einst wohnten in dem DDR-Teil von Berlin, Plattenbaucharme, Verfall, sozialer Frust und neue, alte Identitäts-Probleme, insgesamt sich abgehängt fühlen:
dazwischen ein Fußballspitzenspiel Regionalliga Nordost, zwischen dem lange führenden BFC und dem vermutlichen Aufsteiger aus Cottbus, immerhin einer der drei Ex-Bundesligisten (mit Dresden und Rostock) aus dem Osten, klammert man RB Leipzig mal aus: Es endet am Ende 0-2 für Energie, die von 1000 Fans begleitet werden. 4.800 Zuschauer insgesamt, die von 1100 Polizisten begleitet werden und das hatte dieses Spiel nötig. Pele Wollitz behauptete später er habe Todesangst gehabt.

Mein Kollege aus Bitterfeld sagte zu mir vor dem Spiel, “dann spielt ihr mit “euren” Nazifreunden gegen den anderen Naziclub!”. Harter Stoff also zu begutachten - und es sollte im Laufe des Tages noch schlimmer werden, es war krass, beinhart und ziemlich verrückt.

Wir waren erst mal am falschen Stadion, wo jetzt Viktoria Berlin spielt, am Jahr-Sportpark, da spielt der BFC nur noch bei besonderen Spielen (DFB-Pokal gegen den FCK, wo man die Lauterer aus ihrem Gäste-Block jagte!). Dann ging es, dem Polizeihubschrauber folgend, ins 5-6 km entfernte Hohenschönhausen, wo vor 50 Jahren Erich Mielke etwas kleiner residierte - wie der Zar in Moskau. Motto des BFC auf einem Banner 2001 in Ungarn in Budapest: “Opa bei den Nazis, Vater war bei der Stasi und ich geh zum BFC!” So weit, so schlecht. Aber das ist durchaus das Motto einiger Leute dort.

Da zu dem Spitzenspiel (3. gegen 1.) , dessen fußballerisches Niveau echt besorgniserregend war, noch 80 “Freunde” von Pogo Stettin eingeladen waren, konnte man sehen, auf wievielen Ebenen in den Gesellschaften des ehemaligen Ostblocks “Gewalt, Xenophobie und blanke Wut” gedeihen konnten, obwohl das Gegenteil offiziell behauptet wurde. Und natürlich war der BFC sportlich frustriert, weil man einen Vorsprung verspielt hatte. Dazu meint man immer, die Polizei gehe gegen einen besonders hart vor, anders als gegen “linke oder Ausländer”, so die Wahrnehmung dort.

Das deutsch-polnische Fitnesstudio “Rächtsaußen” hatte jedenfalls Samstagsnachmittags Ausgang und ließ die folgenden Stunden ordentlich die Kuh fliegen: Als es 0-0 stand (schlechter Kick) - und nicht viel passierte-, verbrannte die BFC-Kurve Schals, Devotionalien und Fahnen der Cottbusser, die sofort mit Leuchtspurmunition antworteten, die lange in der Luft blieb. Kurze Spielunterbrechung von 20 Minuten und man konnte sich in ellenlange Schlangen an den Bierbuden hinter der Kurve des BFC einreihen, es waren auch 10-15 VfL-Schaulustige dort (Gruß an Maike V.!), Groundhopper, Voyeure (wie wir?), andere Hools und englische Touristen, die sich vermutlich wie beim Zoobesuch fühlten. Ein Spektakel wie immer alten Rom bei den Gladiatorenkämpfe…

Wer dann bei 23 Grad Celsius den anabolverwöhnten Oberkörper frei macht, der zeigte seine Tatoes “Niebko Terror, Pogon Szczecin “, weinrot BFC Old School oder so gerne und auch S.S. Lazio Rom war trikotmäßig am Start. Da kann sich jeder denken, was er will, wo sich also einst Kommunisten trafen, fand man heute Nationalisten, fast wie in Moskau. Was macht eigentlich das Fanprojekt des BFC so? Man hörte einzelne Rufe, die ich seit den Achtzigern nicht mehr gehört habe.

Der Fußball ging auch weiter und irgendwann führte FC Energie Cottbus 0-1, die Gästekruve machte nun Stimmung, die BFC Dynamo Berlin Kurve wurde zunehmend leiser. War man jüngst an VfB Oldenburg gescheitert, scheitert man nun an Energie Cottbus, die zur Belohnung bald wieder nach Dynamo Dresden oder Hansa Rostock fahren dürfen, um am Treffen der “netten” Menschen teilzunehmen.

Natürlich muss man auch sagen, die Atmo im Berliner Block innerhalb war recht entspannt, teils Berliner Schnauze und heiter, aber als dann das 0-2 gefallen war und Energie den verdienten Sieg feierte, ging es richtig los und viele hatten auf den Moment gewartet. Wieder feuerte Energie Cottbus - - eher in Schwarz gekleidet als in Rot-Weiß - auf Weinrot Leuchtspurmunition, Parolen und Böller auf den Rand der Berliner Kurve. Als der Stadionsprecher dann die Befis zur Ruhe aufrief, um nicht “in der Presse so ein schlechtes Bild als Feedback zu bekommen” (vermutlich die Lügenpresse!), lachten fast alle und BFC- und Pogon-Hudlums versuchten, zum Energieblock zu kommen, der schon einmal von der Polizei zurückgedrängt wurde. Das alte Spiel wurde zielgerichtet von beiden Seiten angenommen.

Die Berliner Polizei musste nun Reizgas einsetzen und am Zaun bekamen, Berliner und Stettiner Viecher nun was ab, unschuldig sieht aber anders aus. Die Polizei reagierte dennoch insgesamt angemessen und versuchte nur das Nötigste zu tun, denn die 1500 Berliner Hools hätten gerne losgelegt. 10 Minuten war die Situtation unübersichtlich. Dann ging man eine Allee aus dem Stadion am Nachwuchsleistungszentrum vorbei bis zu einer Kreuzung, die abgesperrt war. Da mussten wir auch lang zum Auto, Pech gehabt.

Dort hatte die Polizei abgesperrt und zwei große Wasserwerfer versperrten den Weg der BFCler zu Energie-Gästefans, der Polizeihubschrauber kreiste wie ein Geier über den Gewaltffinen. Das rief Rufe und Pöbeleien gegen Polizeiwillkür hervor, klar, es gibt ja vermutlich ein Gesetz dafür, Gästefans zu schlagen und die 1100 verhinderten das per Abrieglung: Frechheit. Die Freiheit der Gewalt wurde eingeschränkt. umgekehrt kriegt hier Frankfurt Probleme, mehr als in Neapel.

Nun bewarf man die Einsatzkräfte mit Steinen, Böllern und Flaschen und die rückte nun vor, damit man die Werfer festnehmen konnte. Die Zivis fixierten diese und die BFC’ler versuchten immer wieder anzugreifen und mehrfach die Gefangenen zu befreien. Die Polizei verstärke diese Gruppen und der Wasserwerfer gab ne Warnung ab. Es gab 3-4 verletzte Problemfans und auch verletzte Polizisten. Das konnte ich sehen und die Polizei wirkte insgesamt entschlossen, aber nicht willkürlich und überhart.Was dieser Polizeieinsatz kostet will kein normaler Bürger wissen und das bei einem Viertligaspiel. Das muss man auch mal sagen, dazu kommt eine Paralellgesellschaft der anderen Art, Kinder gucken Papis beim Prügeln zu.

Nach 2-3 Stunden hatten die Polizisten die Lage im Griff und Dynamo den Aufstieg durch eine schwache Leistung (viele Fehlpässe, keine Torgefahr) endgültig verspielt. Das urige Publikum dort ist nochmals anders als in der Wuhlheide und pflegt dort seinen eigenen Mikrokosmos. Ich hatte sowas 20-30 Jahre nicht mehr gesehen, aber klar, der knappe Bochumer Sieg am nächsten Tag bei den Unionern hätte den Befis gut gefallen.

Der BFC Dynamo-Berlin, den einst in den Neunzigern eine Hoolfreundschaft mit Bochum verband, hat nun neue “Freunde” in Stettin, Rom oder Sofia, Fortress Europe, tipp ich mal.
Ja, ich weiß, man soll nicht Menschen alle über einen Kamm scheren und eventuell ist der Eindruck nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, aber dieser war schon extrem und das muss man auch so wiedergeben und das ist vielleicht auch mit ein Grund für diverse politische Probleme mit Rechtextremismus in ganz Europa. Oder vielleicht war es nur ein schräger Nachmittag, später in Alt-Köpenick war es wieder total entspannt.

Leverkusen

Etwas völlig anderes IN LEVERKUSEN als in Ost-Berlin, gute Fußball, Erfolg und zufriedenen Menschen. Der westdeutsche Meister ist der Deutsche Meister, TSV Bayer Leverkusen und strebt nach dem 2-2 gegen AS ROM das Triple an, nur ATLANTA UND FCK STEHEN NOCH IM WEG. Die Roma wurde von 2800 Fans begleitet und versuchte 35 Minuten dem Bayer-Dauerdruck stand zu halten und Bayer hatte 7-8 Großchancen, aber es blieb lange in der 1. Halbzeit beim 0-0: das war ein Wunder. Die Atmosphäre war gut und als AS einen Elfer durch Tals Arme verursacht, bekam stand es wirklich aus dem Nichts 0-1 für ROM. Sowas nennt man gerne eine unverdiente Führung, die wir Sonntag herbeisingen sollten

Hier blieb alles ruhig in Leverkusen und man weiß ja welch Comebackqualitäten TSV Bayer Leverkusen anno 2024 hat, riesige. 1988 hatte man Espanyol Barcelona besiegt, diesmal diesmal wartet Bergamo im Finale in Dublin. Und 1993 holte man den Pokal gegen Herthas Amateure…..nun gegen Kaiserslautern, wetten?

Aber Rom machte das 0-2 wieder per Elfer und natürlich war Leverkusen kruz geschockt und Alonso brachte nun Wirtz und nahm Schick runter. Da hatte AS auch mal aus dem Spiel eine Chance zum 0-3, aber jetzt war auch Bayers Defensive wach, die sonst wenig zuließ.

In der 81. Minute war es dann soweit, Flanke von rechts und der sonst gute Romakeeper flog am Ball vorbei, ein römischer Verteidiger köpfte den Ball ins eigenen Tor. Das 1-2 hätte der Werkself gereicht und andere hätten sich zurückgezogen, aber natürlich nicht Alonso Truppe. Man will einfach nicht verlieren.

Das 2-2 fiel (WIE IMMER) in der 97. Minute und Bayer war im Finale der Euroleague und folgte Dortmund als zweites NRW Team in ein europäisches Finale. Unfassbar, dieses Leverkusen wirkt wirklich unschlagbar. Nur bis Sonntag? ich glaube nicht.

VORBERICHT:

Und nun nach den Eindrücken von Bochum aus Köpenick dem 3-4 und Leverkusen in der Euroleague dem 0-2/2-2 fällt es mir ehrlich gesagt schwer, auf etwas anderes als ein 1-4 oder 1-5 zu tippen. Klar, irgendwann wird Bayer Leverkusen auch wieder verlieren und ich weiß, es gab da dieses famose 3-0 am 28. Mai des Vorjahres. Es gab auch das 4-0 im Dezember als Schick seinen Hattrick machte und Boniface auch ein Tor. Das Ergebnis drückt den Unterschied zischen Bayer und Bochum zZ dennoch nicht aus, er ist noch größer und das wird man auch Sonntag sehen, Atmo Anna Casse hin oder her. Aber klar Wunder gibt es immer wieder und irgendwann passiert es.

Der Bochumer Fanmarsch wird genial, das Wetter wird toll und Heiko Butscher wird seine Dreamelf bringen, die zweimal siegte - gegen die TSG und Union - das ist schon auch was. Das waren sooooo wichtige Siege und hat Bochum fast gerettet. Spielte man Sonntag daheim gegen Bremen, dann hätte ich festen Glauben. Aber gegen dieses Leverkusen, eigentlich keine Chance. Ich weiß, viele sind da positiv und das ist gut so.

Mein Szenario ist, Union spielt 1-1 in Köln und Dortmund schlägt Mainz aus Rache 1-3. Dann spielen wir, um Leverkusens Serie zu sprengen und scheitern knapp am Remis.

Aber man kann tausend Jahre diskutieren, wir werden es sehen vor 26.000 Fans an der Castroper Strasse 145.

Von VfL4u (thx!)

Sonntag, 12.05.24, 19:30 Uhr, Vonovia-Ruhrstadion

Schiedsrichteransetzung wird nachgereicht

Hinspiel: B04 - VfL 4:0 (20.12.23; Schick (3), Boniface)

Voraussichtliche Aufstellungen:

VfL: Riemann - Bernardo, Schlotterbeck, Ordets, Passlack - Losilla, Stöger, Osterhage (Bero) - Wittek, Hofmann, Broschinski (Bero, Asano)
B04: Hradecky – Kossounou, Tah, Hincapie – Tella, Palacios, Xhaka, Arthur – J. Hofmann, Hlozek – Boniface

Seitenwechsler: Markus Feldhoff, Ilja Kaenzig / -

Ausfälle VfL: Michael Esser, Moritz-Broni Kwarteng (beide Knie)
Ausfälle B04: -

Tom,CB’93

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