Das Tagebuch des TR

Die mediale Bombe ist geplatzt. Nach Toni Schuhmachers „Abpfiff“ 1986, Franz Beckenbauers „Ich“ - und den berühmten Stern Tagebüchern 1983 - hat kein kurzes Tagebuch die Sportjournalisten mehr entzückt als Jürgen Klinsmanns Aufzeichnungen zu „10 Wochen Hertha BSC“ in Sportbild.
Der Jürgen, er spricht von Jürgen Klinsmann, zieht verbal blank, was er und Altschnösel Windhorst bei „Berlins schönsten Club“ erlebten. Er, der kosmopolitische Weltmann, der König der Sonnyboys aus Schwaben, kam und wollte „das hässliche Entlein zum schönen Schwan“ machen. Das Aschenputtelmärchen dauerte nicht mal drei Monate. „Big City-Club“, das war das Ziel von Klinsmann.
Zusammen mit dem „Wunderkind Windhorst“ aus der miefigen Kohlära zog es ihn von Kaliforniens Stränden an den regenwolkenumsäumten , grauen Wannsee. Nach 10 Wochen - und einer kindischen Reaktion später – steht der Tagebuchschreiber vor den Trümmern seiner eigenen Karriere, in Deutschland ist er nicht erst seit seinen selbstgerechten Enthüllungen erledigt. Jürgen Klinsmann nennt Gagenbauer übellaunig, Preetz inkompetent und er selbst wollte nur helfen, sogar unter Aufopferung seines eigenen Sohnes, der gute Jürgen.
Das Fazit, das Klinsmann zieht, ist ein Albtraum für jeden echten Herthafan: der überalterte Kader, vom inkompetenten Sportchef Preetz und dem übellaunigen Gagenbauer falsch zusammengestellt, wäre ohne ihn und Nouri - sang- und klanglos abgestiegen, das Team unfit zudem, holte unter Klinsmän Punkte wie ein Europaleagueteam und ER wurde nur grundlos hingehalten. Dann schmiss er folgerichtig hin (weil die Carte blank nicht eingelöst wurde) und der Windhorst sitzt nun auf 250 vergurkten Millionen im märkischen Sand. Der Verein vorgeführt als demente, alte Dame und im Abstiegskampf nach unten trudelnd, ist nun ganz alleine in seinem viel zu großen Stadion, sogar ohne Klinsi und Sabine.
Was können wir aus dem Fast-Shakespearedrama lernen? Nun, der Heiland von außen und der Monsterinvestor können noch mehr Chaos ins Chaos bringen als der Pocher in den Wendler oder der in Laura.
Ob Thomas Reis ein Tagebuch führt, ich weiß es nicht, ob Sesi alles mitschreibt, ich bezweifle es und ob Villis nicht besser gelaunt ist? Auf jeden Fall haben wir auch einen bunt zusammengestellten Kader und viele offene Fragen, Dutt hat wie Covic vieles offen gelassen und nun muss man schnell das Gröbste zusammenkehren.
Bochum ist nicht Berlin, aber eben auch nicht Sandhausen, wo die Provinz sich immer recht wacker gegen den Abstieg wehrt. Die Nordbadener sind noch nie aus der zweiten Liga abgestiegen, aber verlieren sie am Sonntag, müssen sie fortan kleinere Sandburgen bauen. Vielleicht nicht mehr bei Gerry Ehrmann im Garten, aber beim FCK, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Fakt ist, Bochum siegte beim SGD trotz oder wegen seiner defensiven Grundausrichtung und erzielte einen enormen Wirkungstreffer. Nicht nur nach dem 1-0 durch Ganvoula, vor allem nach dem 1-2 durch Janelt, war ganz Dresden klar, nur noch die Relegation ist unser Ziel. In der Dresdener Presse spiegelte sich die Enttäuschung wieder, mittelmäßige Bochumer waren zu stark für Dresden, man hatte mehr Fehlpässe, technische Mängel und weniger Zweikämpfe für sich als die Gäste aus Westfalen und Reis Coaching zeigte an diesem Tag Wirkung.
Doch was heißt das nun gegen den SVS? Die haben in vier Spielen null Tore erzielt und viermal verloren. Die bringen 100 Fans mit und werden kratzen und beißen, eigentlich die Möglichkeit sich für unsere Sahnetruppe zu beweisen. Da fehlen nur Bapoh und der de facto freigestellte Lee (fehlte beim 1-0 Geheimtest gegen Münster) und Reis wird nicht so viel ändern gegenüber den Spielen in Wiesbaden und Dresden, denn Sandhausen ist eben dieses Kaliber, außer Tom Weilandt kommt wieder.
Gegen die Sandhäuser von 1916 ist Bochum zu Hause leichter Favorit, auch wenn Reis nicht von seiner defensiven Idee der drei Sechser abrücken wird, vermute ich mal. Aber vielleicht bringt er ja Zulj statt Janelt oder Tesche.
Aber wir können gegen Koschinats Krisentruppe mit der richtigen Einstellung, Laufbereitschaft und Matchglück erneut siegen, wenn wir so effizient ran gehen wie in den letzten zwei Auswärtsspielen und der Gegner richtig schwach ist und ebenfalls viele Fehler im Spielaufbau macht. Das wäre ein Pfund.

Im Ansatz wird es ein erneut zerfahrenes und nervöses Spiel, Reis ist kein „no concept“-Trainer – wie ein witzelnder Kumpel sagte, sondern er macht das, was sein Kader hergibt. Allerdings ist das nicht die gesamte Wahrheit, denn dann würde er einen Plan B besitzen, wenn sein Team ist Rückstand gerät, das ist bis dato Bochums Achillesferse.
Ich tippe mal Bochum ist leicht verbessert und führt gegen die Schwarz-Weißen vom Hardtwald bis kurz vor Schluss, kassiert aus dem Nichts den Ausgleich. 2-2.
Aber hoffen tue ich auf eine Wiederholung vom Samstag. Der letzte Angriff von links, Flanke rein, Bumm –Ekstase.
Ach, was wäre das schön für mein Tagebuch.

VfL: Riemann — Gamboa, Decarli, Leitsch, Danilo — Tesche (Janelt), Losilla - Zulj, Zoller, Blum (Weilandt) – Ganvoula
SVS: Fraisl - Diekmeier, Kister, Zhirov, Paqarada - Frey, Gislason (46. Gislason), Linsmayer, Biada (64. Türpitz) - Behrens, Engels (64. Scheu)

Tom, CB`93

Kommentarfunktion ist deaktiviert