Selbsterniedrigung ist ein visuelles Medium
In einer Folge von “Two and a half man” geht es um die Art, wie man sich nach einem Streit bei einer Frau entschuldigt. So z.B. mit einem Strauß Blumen oder Champagner und eben nicht am Telefon oder per sms. Allen warnt als gebranntes Kind vor Gegenständen, mit denen nach einem geworfen werden kann: Toaster, Messer oder Waffeleisen. Charlie betont sarkastisch, Selbsterniedrigung sei eben ein visuelles Medium.
Paderborn am Gründonnerstag vor Ostern ist so eine Form von Selbsterniedrigung, sehr schön visualisiert. FSV Frankfurt war schon semi, Ingolstadt ging gar nicht und nun das: Eine Imbissbude, wo Gerd und Jessica Mantateller, Bratwurst, Pommes und Currywurst zum Besten geben, eine Bierbude, wo es Flaschenbier für 2 Euro gibt, Krombacher und Radler. Die Stimmung bei 26 Grad ist gut, entspannte Bochumer und Paderborner am Biertisch, Polizei nicht nötig, man quatscht.
Ich denke, “Ooch, vielleicht wirds heute ja doch mal wieder gut….?”. Sonne satt, geile zwei Tage in Hessen hinter mir, sehr chilled der Schreiber. ….UND Ostern ist ja eh VfL-Time! Dann kommt ein Typ, meine Schüler würden ihn “Mongo” oder “voll behindert” nennen, mir fällt spontan auch nichts anderes ein außer “Inklusion” (bezeichnet das Unterrichten behinderter und nicht behinderter Schüler zusammen!).
Der Typ nervte Bochumer an der freien Bierbank und hing uns immediately an der Backe. Bot mir sofort Zigaretten und Bier an, obwohl wir uns erst eine Minute kannten. Der hatte eine Brille, einen Sprachfehler und einen IQ von 85. Wobei ich sagen muss, dass ich einen Schüler habe mit einem IQ von 80, getestet, und den 11 jährigen finde ich schlauer.
Also gingen Mongo (er) und Spakko (ich) plus Frau (sie) über den riesen Parklatz, von der Ferne grüßte das Möbelhaus Finke, auf der Eintrittskarte hatte man einen Fünfeurogutschein drauf. “Läuft”, dachte ich und hatte zum ersten Mal - fremdschämen ist nicht so mein Ding, Angst, dass mich jemand mit meinem neuen Freund Mongo sieht. Der begrüßte jeden Transferbus vom Hauptbahnhof frenetisch und war immer wieder aufs neue überrascht, dass “nur” Bochumer drin waren. “Ey, hier sind soviele Bochumer wie Paderborner”, bemerkte er fachkundig und ich entgegnete: “Nee, 12.000 Leute passen grob rein, wenn eine Seite voll Bochumer ist, macht das so 2000-3000 Fans aus Bochum!”.
Mongo überspielte das mit “willste ne Kippe?” und ich “Nee, rauche nicht!”. “rauchst wohl heimlich?” “neee!” “wilste denn ne Kippe!”, “nee!”, was zum Perpetuum Mobile wurde. Tanja wollte auch dreimal keine Kippe. Weiterhin wurde von Mongo jeder Fanbus begrüßt, immer begeistert. Kinder muss das schön sein wenig zu wissen. Meine Laune sank und der VfL war völlig unschuldig daran.
An der Einlasskontrolle hängte ich ihn elegant ab, drehte mich um und telefonierte mit meinem Handy ohne Saft. Er merkte das nicht. Doch nicht ABFs! Dann kam die nervige Einlasskontrolle a la Flughafen, jeder Fan ein potentieller Hassprediger. Man ließ es über sich ergehen, dann kam man in den Wellblechpalast Hollandstyle namens Energie-Team-Arena (ehemals PARAGON-Arena), der laut Stadionsprecher “Animateur” mit 10.323 Zuschauern gefüllt war. Nicht, dass die Leute in Ostwestfalen nicht bemüht gewesen wären, aber irgendwie wollte man hinfahren, siegen und das wäre es im Optimalfall gewesen. Aber so war es eben nicht. Insofern war das alles Teil meiner persönlichen Selbsternierdrigungserfahrung oder Anti-Burn-out-Prophylaxe (Motto: “Wenn du meinst, dass alles schlecht ist, denk mal an die Bochumspiele!”).
Bochum war die ersten 15 Minuten dominant, meist im Ballbesitz und mit Druck aufs Tor von Masuch. Dabro verschenkte eine Torchance nach einer Minute, man hätte mit dem 0-1 im Rücken viel entspannter ins weitere Spiel gehen können. In Ingolstadt hatte einem eben just so ein schnelles Gegentor das Genick gebrochen! So hätte es dem Kröscheteam (langsamer Läufer!) ergehen können, seit neun Spielen ohne Sieg - und vor der Herthaniederlage wäre dies wohl auch so gekommen. Aber hätte, wäre und aber gibts im Profifußball nicht. Bochum versucht also fleißig.
Saglik und Dedic zeigten, warum sie in Bochum nicht mehr zu “Strikern” werden. Dedic war ein Totalausfall, Saglik wie immer unglücklich, dazu legte er sich vor der Bochumkurve per Brust mit nem Mitspieler an (Jo oder Vogt?). Johansson und Dabro gelang selbst auch wenig, trotzdem hatten die senffarbenen Bochumer die schwarz-blauen im Griff obwohl Kapellani und Brandy wenige Chancen hatten zum 1-0, was den Klassenerhalt für Paderborn hätte bedeuten können. Den holten an diesem schönen Tag übrigens die Frankfurter, Glückwunsch, da fahr ich auch wieder gerne hin. Bochum schien durch 0-5 Tore verunsichert, vor allem die Ãœberzeugung nach vorne fehlte,
Aydin war noch auf der Bank, sollte aber genau wie Freier und Federico noch kommen. Das 0-0 zur Pause sollte sich rächen, denn Bochum baute ab, nicht auf und brachte seine 2000 mitgereisten Fans zum Schweigen. Makko und Björn versuchten Pizza und Cola gegen die Langeweile, die Paderborner versuchten Stimmung zu imitieren.
Es gab kein sprithaltiges Bier für Gästefans im Stadion und Bochum spielte trotz Wollens wie Valium in Halbzeit zwei, allerdings hatte Paderborn auch kein Tor verdient, zu harmlos war man im Sturm. Maltritz, seit Wochen gut in Form, mutierte zur Kampfsau und gab dem Neuling Aquistapace Sicherheit und der konnte Yahia ernsthaft ersetzen. Doch Aza und Tese konnte keiner ersetzen, auch weil Korkmaz gut begann und stark nachließ. Fehlpässe, immer wieder Fehlpässe, jeder dritte - vierte Ball war weg.
Das von Funkel geforderte einfache Spiel, es wurde immer schwieriger. Vielleicht hätte ich mich auch am Vortag nicht mit der Copa del Rey, Real-Barca in Valencia verwöhnen lassen sollen, so fiel ein Kopplin, ein Ostro, ein Vogt trotz allen Bemühens “visuell” noch stärker ab, rein subjektiv.
Bochum schaffte nur dieses “verdiente” 0-0 und das Team wusste wieder nicht, soll es nun zur Kurve gehen oder eben nicht. Würde es wie in Aue beschimpft werden, dann hat Moppel wieder alle Hände zu tun, die Spieler aufzubauen.
Ich wollte Maltritz applaudieren, doch Luthe wollte refelxartig den Vize-Capitano in Schutz nehmen, man traut den Fans nicht und seit gestern auch wohl der eigenen Leistungsfähigkeit nicht mehr!
Nun ist es an Fürth am Ostersamstag in Sechzig zu siegen, gelingt der bayrische Derbysieg der Fürther ist Bochum Vierter.
Seit gestern sagen nicht wenige Bochumspötter, zum Glück, auf eine (weitere) Blamage (wie 2010) hat keiner mehr in Bochum Bock. Da sind die Fans ähnlich wie das Team der vom früheren Bochumer Vorstand propagierten Kleinmütigkeit gefolgt. Wir sind Bochum, wir können nicht mehr…..Leider wars gestern echt so.
Selbsterniedrigung ist eben ein visuelles Medium.
Tom, CB’93
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